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20.3.06

Afrika? Einfach den Pfeilen folgen.

In der Wissenschaft heißt es immer wieder, dass man lernen muss, die großen Fragen zu stellen. Woran erkennt man eine große Frage? Von den Leuten hier vor Ort werde ich nach „pocket money“ gefragt, oder nach Essen. Wenn ich kein Essen habe? Geld, das würde auch helfen. Was macht man? Helfen würde man gerne, wenn es wirklich notwendig ist. Nur – warum genau braucht jemand Geld, wenn er ohnehin einen bezahlten Job hat? Vielleicht, weil ein Versuch nicht schaden kann? Die Leute, denen mit etwas Geld wirklich geholfen wäre, laufen mir im Moment noch nicht über den Weg: diejenigen, die nicht genug Geld zur Verfügung haben, um überhaupt ins Krankenhaus zu kommen, beispielsweise. Oder um danach dann die notwendigen Medikamente zu kaufen. Von welchen Beträgen hier die Rede ist? Meist nur wenige tausend TSH, also niedrige, einstellige Eurobeträge. Im Moment fehlt mir auch noch das sprachliche Rüstzeug, um die Situation „auf der Spraße angesprochen werden“, die kurioserweise in den Kauderwelsch-Sprachführeren nicht behandelt wird, auch nur annähernd elegant, geschweige denn eloquent, zu überstehen. Was bleibt? Pole sana, pole sana.
Von euch, meinen werten Lesern, werde ich dagegen gefragt, warum es mich ausgerechnet hierher verschlagen hat. Nach Afrika, nach Tansania, ins Landesinnere, in ein Sumpfgebiet, den „malaria belt“. Abhängig vom Fragenden ist die Antwort bisher immer etwas anders ausgefallen. Teils, weil ich es selbst nicht wusste, teils weil es einfach eine Reihe von Gründen gab, in jeder Phase der Planung einen anderen. Für manchen vielleicht überraschend: die Molekularbiologie war meistens nur ganz, ganz am Rande relevant - das Studieren im Allgemeinen dagegen schon.
Um diesen Beitrag jetzt vor dem Abrutschen in stilistisch noch unattraktivere Gefilde als bisher zu bewahren, werde ich auf den „Begonnen hat es vor fast 23 Jahren“-Einleitungssatz verzichten und stattdessen fast zwei Jahrzehnte überspringen. Vor fünf Jahren, kurz vor der Stellung, ist mir auf der Website zu den Projekten, bei denen Auslandszivildiener benötigt werden, ein spezielles aufgefallen: Wasseranalytik in Kenia. Brunnen graben, Wasserqualität überwachen – hörte sich interessant an. Wenn man schon ein Jahr für den Staat arbeiten muss, soll es wenigstens etwas Sinnvolles sein. Ein paar Monate später hatte sich das Problem für drei Jahre erledigt, kurz vor der Nachstellung recherchierte ich dann nochmals. Das Projekt hatte alle Kürzungen der vergangenen Jahre überstanden und nahm immer noch Zivildiener auf – die Idee einer kleinen Afrikaexkursion gefiel einer mir damals noch nahestehenden Person allerdings nicht sonderlich. Unnötigerweise, wie sich zeigte: einige Monate später konnte ich das Problem Zivildienst dann endgültig abhaken und mein Augenmerk langsam mehr auf ein Auslandssemester richten: USA, Australien, Kanada, Neuseeland – beispielsweise. Wie es sich manchmal so ergibt, bechloss dann die „nahestehende“ Person, dass sie ihrer eigenen Wege gehen wollte und machte mir anschließend innerhalb einger Wochen/Monate sehr nachdrücklich klar, dass ein zukünftiges, distanzierteres Nebeneinander unmöglich bis unerträglich für mich sein würde. Pole sana, indeed.
Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich dann in den Sommer retten, acht Wochen (wahlbei)spielend auf der Flucht in einer fremden Laborwelt, Menschen aus aller Welt kennenlernen, weg vom Alltag. Als dann der Herbst, und mit ihm der alte Unitrott, seine ersten Vorboten entsandte, entschloss ich mich kurzfristig, alleine dorthin zu flüchten, wo ich Ruhe zu finden hoffte: nach Lappland.
Der eine oder andere mag an diesem Punkt glauben, dass ich mich mit meiner Erzählung in völlig irrelevante Bereiche verlaufen habe, was so aber nicht ganz richtig ist – ich bitte um etwas Geduld. Die Reisevorbereitungen für eben diese Wandertour waren der eigentliche Grund, warum ich mit dem Laborleiter ins Gespräch kam: An diesem Abend in der letzten Arbeitswoche dauerte ein Experiment länger, er nahm mich mangels Shuttlebus mit zum Bahnhof – und wir sprachen über Natur, Wildnis und „going out“. Was er in meinem Alter gemacht hatte – und ob es mich nicht auch interessieren würde, nach Afrika zu gehen. Zu dem Zeitpunkt hielt mich nichts in Österreich, ich war begeistert. Danach – nunja, wir hätten es fast nicht mehr geschafft, nochmals ernsthaft darüber zu sprechen. Aber eben nur fast.
Schweden... zwei Wochen alleine mit dem Zelt im Fjell rund um den Keb waren eine Grenzerfahrung, sowohl die rein körperliche Leistung, als auch die herausfordernde Umgebung und auch die Einsamkeit betreffend. Fazit? Perfekt, um Stress abzubauen. Die „gerade noch gutgegangen“-Situationen schärfen den Blick für Wesentliches und zwei Wochen sind viel Zeit zum Nachdenken, natürlich auch über die Afrika-Pläne. Kurz nach meiner Rückkehr wurde mir aber wieder schmerzhaft klargemacht, dass selbst das nur ein Anfang war und es nicht gereicht hat – wenn man schon vor sich selbst wegläuft, sollte man nicht einfach stehenbleiben.
Nach dieser Erkenntnis bemühte mich mich wieder mehr um das Praktikum, zog Erkundigungen ein, suchte nach Finanzierungsmöglichkeiten. Und schließlich war die Zusage da, kündigte sich mit einem leisen „Pling!“ an. Die Email lesen, dann noch einmal. Nachdenken, ein ganzes Wochenende mit einer Bestandsaufnahme verbringen: was hält mich in Wien, wie sehr würde ich meine Freunde vermissen, die Familie? Wie notwendig/heilsam ist etwas mehr Abstand von anderen Personen? Außerdem: ein spannendes Projekt, sehr gute Leute und ein brauchbarer Zeitplan (ich wollte eigentlich schneller weg). Sieben Monate in Afrika, weit weg von Wien – sowohl geographisch als auch kulturell. Ein Entwicklungsland, eines der zwanzig ärmsten Länder überhaupt. Tropen, Palmen, indischer Ozean, Kilimandjaro, Nationalparks. Was weiß man schon über das Leben in diesen Ländern?
Auf den ersten Blick fand sich leider keine Molekularbiologie in der Projektbeschreibung, was meine Finanzierungspläne ins Schwanken brachte und mich etwas zögern ließ. Schließlich fand sich doch noch ein Professor, der mir Stunden anrechnen würde, womit die vorläufig letzte Hürde gefallen war. Nach und nach zog auch noch ein anderer Gedanke seine Kreise: ich würde endlich sehen, ob man abgesehen von der uns Molekularbiologen immer prophezeiten Karriere hinter der Werkbank noch Alternativen finden kann. Abseits der Big Science, ohne große Forschungszentren, an Themen, die nicht nur vielleicht, mit viel Glück, irgendwann in ferner Zukunft, wenn alles gut geht, wenn sich jemand der Erkenntnisse erbarmt und sie praktisch umsetzen will, irgendwem, der dafür zahlen kann, zu Gute kommen, sondern Forschung, deren Ergebnisse zügig vor Ort umgesetzt werden sollen. (.. to be continued ..)

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