Minisafari
Wieder einmal überzieht nächtliche Schwärze den Himmel – und während ich meinen Blick immer wieder über die fremden Lichtmuster ziehen lasse, ohne dass die antrainierte Mustererkennung die chaotisch verteilten Punkte mit gewohnter Leichtigkeit bekannten Sternbildern zuordnen kann, stellt sich wieder das Gefühl der Fremde ein. Bis ich plötzlich merke, dass ich glücklich bin. Glück habe. Wieder einmal sitze ich in einem Jeep, werde durchgeschüttelt, muss mich festhalten. Wie schon am Vortag hängt das Band der Milchstrasse über mir, langsam wandern die Gedanken um zahlreiche Grade durch die Gegend, astronomisch, geographich und thermisch: vom Kreuz des Südens zu den Polarlichtern, von der Südhalbkugel zu den Regionen nördlich des Polarkreises, von 33° zu -8°C. 7 Monate ist es her, dass ich dort war. Ähnlich müde und erschöpft, ähnlich weit weg vom gewohnten Lebensrythmus. Und jetzt? Frisch im Gedächtnis der Inhalt einer Email, die mir schon die nächste Reise verheißt, nach Wageningen oder Yale, in den nächsten Monaten. Eine Reise liegt in der Vergangenheit, eine breitet sich in der Gegenwart aus, eine entfaltet sich in der Zukunft. Aus einem inzwischen vertrauten Reflex winke ich einem Kind zu, das begeistert rufend an den Straßenrand gelaufen kommt. Sein „Mzungu!“ kontere ich mit einem freundlichen „Mtoto!“, was mit (noch) mehr Gelächter quittiert wird.
Auf einen Zuruf von der Ladefläche hin bremst der Jeep kurz, kommt, wenn überhaupt, nur für Sekundenbruchteile zum Stehen, fährt sofort wieder holpernd weiter: unser Koch ist vor seinem Haus abgesprungen, seine Tagesreise ist hier zu Ende. Für uns, die wir heute im Udzungwa National Park waren, geht es noch weiter. Zu einem Treffen mit mit den anderen Expats, in der Canteen. Nach Hause, ins Badezimmer, unter die Dusche, ins Bett, in eine Traumwelt.
Wie man sieht, lasse ich einen langen Tag gedankenverloren ausklingen – vielleicht auch, weil es gewissermaßen der letzte Tag eines langen Jahres ist.
Am frühen Morgen sind wir aufgebrochen, es ist der dritte Versuch, endlich in den nahegelegenen Nationalpark zu gelangen. Diesmal scheint uns Petrus (oder seine örtliche Inkarnation) gewogen zu sein, große, weiße Wattebällchen ziehen über den blauen Ozean, kontrastieren den grün-roten Untergrund, auf dem wir herumkrabbeln. Mit Guide, Fahrer, Koch und uns sechs Ausflüglern ist der Jeep voll besetzt – vier Leute verteilen sich auf der Ladefläche.
Es ist ein Dilemma: einerseits ist die Aussicht dort wesentlich besser, zusätzlich sorgt der Fahrtwind für willkommene Abkühlung, dafür könnte jedes Schlagloch abgesehen von blauen Flecken ein Grund sein, sich auf die Zunge zu beißen, aus dem Wagen zu fallen oder sich den Rücken zu verreißen. Auch wenn der Fahrer auf uns Rücksicht nimmt, müssen wir teilweise ziemliche Schläge einstecken, bis wir schließlich beim Office die „entrance fees“ für den Park (15$/P) und einen zusätzlichen Guide des Parks (10$) bezahlen können.
„Wir“ meint in diesem Fall eine Gruppe bestehend aus zwei deutschen Medizinstudentinnen, drei Schweizerinnen und einem euch bekannten Österreicher. Nach ein paar gemeinsamen Jeep-Kilometern geht es endlich zu Fuß weiter. Den Koch müssen wir nach einer kurzen Diskussion mit dem Guide am Startpunkt zurücklassen, er soll bis zu unserer Rückkehr das Essen vorbereiten.
Etwas später geht es bergauf, schwitzenderweise. Vorbei an Schmetterlingen und dem üblichen „creepy crawly“, unter mehr oder weniger regelmäßigen Erklärungen durch den Guide. Als uns schließlich immer wieder Centipedes (Hundertfüßler) über den Weg krabbeln, denke ich kurz an ein altes Wissensfragment: „Hundertfüßler, Tausendfüßler – alles das gleiche.“ Wenige Minuten später verkriecht sich der Gedanke ins gleiche Eck, in das auch schon die Vorstellung eines staubig-trostlosen Afrikas geschickt wurde – und zwar in dem Moment, in dem tatsächlich ein Tausendfüßler aus dem Unterholz bricht. Erinnert sich jemand an Peter Jacksons „King Kong“? Tatsächlich: sie schauen genau nicht so wie im Film aus, wer hätte das gedacht.
Wie auch immer, irgendwann erhaschen wir den ersten Blick auf den Wasserfall, eine Stunde später stehen wir dann plötzlich oben auf dem Felsplateau und hören das Wasser in die Tiefe stürzen, während sich vor uns das Kilombero Valley ausbreitet. Die Sandwiches liefern sich einen kurzen Kampf mit der Aussicht, um unsere Aufmerksamkeit (sie gewinnen und zahlen einen hohen Preis dafür), danach geht es etwas erholt noch weiter.
Durch Lärm, angenehm kühle Luft und feinen Sprühnebel in der Luft kündigt sich dann das zweite Ziel der Wanderung an: ein weiterer, stromaufwärts gelegener Wasserfall. Der kleine See darunter ist eine offensichtliche Einladung, auch wenn das Schwimmen durch die Strömung nicht ganz einfach ist. Die relative Ruhe (der Lärm des Wasserfalls übertönt alles) und die seltsame Stimmung (feiner Sprühnebel in der Luft) trennen das kleine Tal stark vom Rest der Umgebung ab, die Baumriesen in der näheren Umgebung tragen das ihre dazu bei, um den etwas verträumten Eindruck zu verstärken.
Irgendwann müssen wir dann den Rücktritt antreten, wandern zügig aus den kühlen Luftschichten oben in die feuchtwarmen, drückenden Schwaden weiter unter. Auf dem Weg hört man immer wieder in der Nähe lautes Rascheln, sieht kurze Bewegungen in den Bäumen: schwankende Äste, herabfallendes Laub. Unangekündigt schwebt ein Schatten durch den freien Raum zwischen zwei Bäumen: wir haben Affen aufgeschreckt. Auch wenn sie sich anfangs hartnäckig weigern, auf einem Foto aufzutauchen, irgendwann klappt es doch. Einer dieser Affen mit roter Irokesenfrisur scheint auf einmal fast neugierig zu sein, bevor auch er sich Sekunden später wieder zurückzieht – doch die wenigen Sekunden reichten aber für ein Foto. Mehrmals lassen uns die Bewegungen in den Bäumen auf dem Weg nach unten noch innehalten, versuchen wir, einen genaueren Blick auf unsere Verwandtschaft zu werfen.
Auf dem Weg nach oben, als langsam klar wurde, dass vorläufig keine Affen auftauchen würden, war die Enttäuschung nicht groß – Affen kennt man aus dem Tiergarten, aus Schönbrunn. Niedlich, aber das war es auch schon. Als sie dann aber mit einer seltsam rabiaten Eleganz die Abgründe in den Baumwipfeln überqueren und dabei mit spielerischer Leichtigkeit demonstrieren, dass dies hier ihr Lebensraum ist, in den wir nur kurz eingedrungen sind, verändert sich das Gefühl, hin zu Freude, leichter Ehrfurcht. Ich könnte versuchen, hier einen Vergleich mit einem eingesperrten Primaten im Zoo anzustellen, womit ich der Situation aber einfach nicht gerecht werden könnte. Selbst wenn ich von einer umgekehrten Situation schreiben würde, von uns Touristen, die innehalten müssen, an den Boden und den Wanderpfad gebunden, während sie sich frei bewegen, selbst das würde es nicht treffen.
Wir lassen sie schließlich hinter uns zurück, erreichen wieder die Siedlung am Fuße des Berges, wo der Koch schon auf uns wartet. Fisch, Reis, Bohnen, Obst: auch wenn der Hunger anfangs nicht groß ist, hat der Tag doch Spuren hinterlassen und die Teller leeren sich rasch. Auf der Rückfahrt breitet sich die Müdigkeit dann langsam im Körper aus, die letzten Eindrücke verschwimmen ineinander, gleichzeitig schweifen die Gedanken ab, wandert der Blick zu Orion.
Auf einen Zuruf von der Ladefläche hin bremst der Jeep kurz, kommt, wenn überhaupt, nur für Sekundenbruchteile zum Stehen, fährt sofort wieder holpernd weiter: unser Koch ist vor seinem Haus abgesprungen, seine Tagesreise ist hier zu Ende. Für uns, die wir heute im Udzungwa National Park waren, geht es noch weiter. Zu einem Treffen mit mit den anderen Expats, in der Canteen. Nach Hause, ins Badezimmer, unter die Dusche, ins Bett, in eine Traumwelt.
Wie man sieht, lasse ich einen langen Tag gedankenverloren ausklingen – vielleicht auch, weil es gewissermaßen der letzte Tag eines langen Jahres ist.
Am frühen Morgen sind wir aufgebrochen, es ist der dritte Versuch, endlich in den nahegelegenen Nationalpark zu gelangen. Diesmal scheint uns Petrus (oder seine örtliche Inkarnation) gewogen zu sein, große, weiße Wattebällchen ziehen über den blauen Ozean, kontrastieren den grün-roten Untergrund, auf dem wir herumkrabbeln. Mit Guide, Fahrer, Koch und uns sechs Ausflüglern ist der Jeep voll besetzt – vier Leute verteilen sich auf der Ladefläche.
Es ist ein Dilemma: einerseits ist die Aussicht dort wesentlich besser, zusätzlich sorgt der Fahrtwind für willkommene Abkühlung, dafür könnte jedes Schlagloch abgesehen von blauen Flecken ein Grund sein, sich auf die Zunge zu beißen, aus dem Wagen zu fallen oder sich den Rücken zu verreißen. Auch wenn der Fahrer auf uns Rücksicht nimmt, müssen wir teilweise ziemliche Schläge einstecken, bis wir schließlich beim Office die „entrance fees“ für den Park (15$/P) und einen zusätzlichen Guide des Parks (10$) bezahlen können.
„Wir“ meint in diesem Fall eine Gruppe bestehend aus zwei deutschen Medizinstudentinnen, drei Schweizerinnen und einem euch bekannten Österreicher. Nach ein paar gemeinsamen Jeep-Kilometern geht es endlich zu Fuß weiter. Den Koch müssen wir nach einer kurzen Diskussion mit dem Guide am Startpunkt zurücklassen, er soll bis zu unserer Rückkehr das Essen vorbereiten.
Etwas später geht es bergauf, schwitzenderweise. Vorbei an Schmetterlingen und dem üblichen „creepy crawly“, unter mehr oder weniger regelmäßigen Erklärungen durch den Guide. Als uns schließlich immer wieder Centipedes (Hundertfüßler) über den Weg krabbeln, denke ich kurz an ein altes Wissensfragment: „Hundertfüßler, Tausendfüßler – alles das gleiche.“ Wenige Minuten später verkriecht sich der Gedanke ins gleiche Eck, in das auch schon die Vorstellung eines staubig-trostlosen Afrikas geschickt wurde – und zwar in dem Moment, in dem tatsächlich ein Tausendfüßler aus dem Unterholz bricht. Erinnert sich jemand an Peter Jacksons „King Kong“? Tatsächlich: sie schauen genau nicht so wie im Film aus, wer hätte das gedacht.
Wie auch immer, irgendwann erhaschen wir den ersten Blick auf den Wasserfall, eine Stunde später stehen wir dann plötzlich oben auf dem Felsplateau und hören das Wasser in die Tiefe stürzen, während sich vor uns das Kilombero Valley ausbreitet. Die Sandwiches liefern sich einen kurzen Kampf mit der Aussicht, um unsere Aufmerksamkeit (sie gewinnen und zahlen einen hohen Preis dafür), danach geht es etwas erholt noch weiter.
Durch Lärm, angenehm kühle Luft und feinen Sprühnebel in der Luft kündigt sich dann das zweite Ziel der Wanderung an: ein weiterer, stromaufwärts gelegener Wasserfall. Der kleine See darunter ist eine offensichtliche Einladung, auch wenn das Schwimmen durch die Strömung nicht ganz einfach ist. Die relative Ruhe (der Lärm des Wasserfalls übertönt alles) und die seltsame Stimmung (feiner Sprühnebel in der Luft) trennen das kleine Tal stark vom Rest der Umgebung ab, die Baumriesen in der näheren Umgebung tragen das ihre dazu bei, um den etwas verträumten Eindruck zu verstärken.
Irgendwann müssen wir dann den Rücktritt antreten, wandern zügig aus den kühlen Luftschichten oben in die feuchtwarmen, drückenden Schwaden weiter unter. Auf dem Weg hört man immer wieder in der Nähe lautes Rascheln, sieht kurze Bewegungen in den Bäumen: schwankende Äste, herabfallendes Laub. Unangekündigt schwebt ein Schatten durch den freien Raum zwischen zwei Bäumen: wir haben Affen aufgeschreckt. Auch wenn sie sich anfangs hartnäckig weigern, auf einem Foto aufzutauchen, irgendwann klappt es doch. Einer dieser Affen mit roter Irokesenfrisur scheint auf einmal fast neugierig zu sein, bevor auch er sich Sekunden später wieder zurückzieht – doch die wenigen Sekunden reichten aber für ein Foto. Mehrmals lassen uns die Bewegungen in den Bäumen auf dem Weg nach unten noch innehalten, versuchen wir, einen genaueren Blick auf unsere Verwandtschaft zu werfen.
Auf dem Weg nach oben, als langsam klar wurde, dass vorläufig keine Affen auftauchen würden, war die Enttäuschung nicht groß – Affen kennt man aus dem Tiergarten, aus Schönbrunn. Niedlich, aber das war es auch schon. Als sie dann aber mit einer seltsam rabiaten Eleganz die Abgründe in den Baumwipfeln überqueren und dabei mit spielerischer Leichtigkeit demonstrieren, dass dies hier ihr Lebensraum ist, in den wir nur kurz eingedrungen sind, verändert sich das Gefühl, hin zu Freude, leichter Ehrfurcht. Ich könnte versuchen, hier einen Vergleich mit einem eingesperrten Primaten im Zoo anzustellen, womit ich der Situation aber einfach nicht gerecht werden könnte. Selbst wenn ich von einer umgekehrten Situation schreiben würde, von uns Touristen, die innehalten müssen, an den Boden und den Wanderpfad gebunden, während sie sich frei bewegen, selbst das würde es nicht treffen.
Wir lassen sie schließlich hinter uns zurück, erreichen wieder die Siedlung am Fuße des Berges, wo der Koch schon auf uns wartet. Fisch, Reis, Bohnen, Obst: auch wenn der Hunger anfangs nicht groß ist, hat der Tag doch Spuren hinterlassen und die Teller leeren sich rasch. Auf der Rückfahrt breitet sich die Müdigkeit dann langsam im Körper aus, die letzten Eindrücke verschwimmen ineinander, gleichzeitig schweifen die Gedanken ab, wandert der Blick zu Orion.
1 Comments:
...ein reise-bericht den ich zumindest mit dir teilen würde...
mit dem pick-up durch afrika touren, das würde meines vaters sohn auch gefallen
:D
halt die ohren steif, und oben bleiben!
-ben
PS: ich weiss nicht mehr ob das thema bei deiner abreise schon aktuell war, aber ich hab jetzt endlich stereo im haus (wie also englisch-sprechende afrikaner sagen würden: check the link above)
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