Zum Vierterl
„Wenn wir hier nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt“Blöd nur, wenn es der eigene Rasen ist. Alles Gute nach Berlin.
Ex-Nationalspieler Rolf Rüssmann
For alt eg vett sprang eg i ring
„Wenn wir hier nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt“Blöd nur, wenn es der eigene Rasen ist. Alles Gute nach Berlin.
Ex-Nationalspieler Rolf Rüssmann
Manches Mal lohnt es sich, am Ende anzufangen – in diesem Fall am letzten Abend in den Staaten. In Nashville, als alle Verpflichtungen erfolgreich abgehakt waren. Nachdem mit jedem gesprochen und alle verabschiedet worden waren.
Entgegen allen Empfehlungen war ich nicht-motorisiert in die Stadt aufgebrochen, mit dem dekorativ-auffälligen Armeerucksack auf der Schulter. Nach einem wechselseitigen Lächeln an der Rezeption war ich verabschiedet, konnte durch die sonnendurchflutete Betonwüste streunen und mir das timeout nehmen, dass ich nach dieser Woche dringend nötig hatte: einfach einen halben Nachmittag alleine unterwegs sein.
Eine kurze Ewigkeit später überraschte mich dann die einbrechende Dunkelheit. Nachdem ich stundenlang eine überraschend menschenleere Kunstlandschaft durchquert hatte, blinkte vor mir plötzlich ein schwaches grünes Pünktchen auf. Ein kleines Irrlicht, das schwerelos aus dem gepflegten Rasen aufstieg, einen kurzen Schweif aus fahlgrünem Nichts hinter sich herzog – und schlagartig verblasste, bevor es die magische Schwelle am Horizont überstieg, jenseits derer es mit den prachtvoll funkelnden Lichtern der Großstadt konkurrieren müsste.
Aus den langen Gedankengängen gerissen, blinzelte ich – doch immer wieder sprangen sie an einer anderen Stelle aus dem Gras, vor dem langsam verblassenden Sonnenuntergang immer deutlicher sichtbar. Wirkte es anfangs noch so, als hätten mysteriöse Wiesenbewohner schließlich den ersten Schritt aus der Wiege gewagt und wären mit zahllosen Raketenstarts in kniehohe Umlaufbahnen ins space age übergetreten, verändern sich die Leuchtspuren mit der Zeit, nähern sich ballistischen Kurven an: Miniaturmeteore in Kniehöhe. Mit einem leisen Rascheln landet der Rucksack auf der noch warmen Erde, Sekunden später liege ich daneben, an einen der alten Baumstämme gelehnt – versunken in den Anblick vor mir.
Bin ich nicht gerade von dort aufgebrochen?
Mein Streifzug war weitgehend ungeplant – als ungefähres Ziel hatte ich anfangs die Country Music Hall of Fame vor Augen, erreichte sie aber erst, nachdem sie schon geschlossen hatte. Danach folge ich nur meiner Intuition, lasse mich von Grafittis zu einer Brücke leiten, sehe das Stadion zu meiner Linken, downtown zur Rechten, gönne mir auf einer Bank den Luxus, einfach nur in der Sonne zu sitzen und diversen Gedanken nachzuzängen. Als einige leichte Windböen plötzlich von weitem vertraut deutsche Worte herbeitragen, breche ich wieder auf, betreibe im Vorbeigehen Smalltalk mit einem local, den ich dank kräftigem Südstaatenakzent kaum verstehe. Überhaupt lächeln mir heute verdächtig viele Menschen zu – sogar ein police officer grüßt freundlich. Über die Bedienung im Hard Rock Cafe wundere ich mich dann aber doch. Wenn man die ehrwürdig-distanziert-desinteressierten Angestellten in den Wiener Kaffeehäusern gewohnt ist, muss man sich an gewisse Verhaltensweisen erst gewöhnen. Dass eine junge Frau in meinem Alter bei der Aufnahme der Bestellung plötzlich kaugummikauend mir gegenüber am Tisch sitzt, kann ich noch ungerührt zur Kenntnis nehmen – man kommt sich zumindest nicht ganz so von oben herab behandelt vor. Dass ich im weiteren Verlauf meines Aufenthaltes mit Baby und Sweetheart angesprochen werde und zwischendurch im Vorbeigehen bei der Frage, ob "everything o-kay with yah?" an der Schulter festgehalten werde, reißt mich dann doch etwas aus der stoischen Ruhe. Während die untergehende Sonne also erst die ohnehin roten Backsteinhäuser noch röter färbt, um ihre Wirkung später dann nur noch auf den höher gelegenen Glasfassaden zu entfalten, verschwindet erst ein Burger von meinem Teller, danach leert sich dann ein Cocktail – parallel dazu füllen sich einige Blätter im Tagebuch, sowie ein paar Postkarten. Wieder Muse, den vorher angerissenen Gedanken konsequent bis zum Ende zu folgen. Als ich schließlich aufbreche, werfe ich noch einen letzten Blick zurück, lasse die rote Schrift noch einmal ein Geisterbild auf meiner Netzhaut hinterlassen: "No drugs and nuclear weapons allowed..".
Planlos ziehe ich im elektrischen Halbdunkel weiter, bis ich aus den Augenwinkeln ein kirchenähnliches Gebäude sehe, eingerahmt von den beiderseits aufragenden Businesstürmen, im Hintergrund die übersättigten, tiefen Farbschattierungen eines Sonnenunterganges, der in den letzten Zügen liegt. Wieder einmal wundere ich mich über die Einsamkeit – die einzigen Menschen, die ich sehe, sitzen auf Parkbänken und folgen meinen scheinbar zielstrebigen Bewegungen über den weiten, mit Steinen ausgelegten Platz. Vorbei an erleuchtenden Springbrunnen, auf das Capitol zu, das auf seinem Hügel über allem thront. Davor eine Statue mit stechendem Blick, mit einem Schwur auf die Heimaterde – in der der Autor wie in einem warmen Schoß ruhen wollte. Sei's ihm vergönnt.
Bei der Umrundung des captiol hills offenbart sich unverhofft ein wundervolles Panorama – und die kleinen grünen Senkrechtstarter. Fireflies, die den Hang in ein unglaublich helles, geisterhaftes Feuerwerk tauchen, während die Skyline vor dem langsam ausglühenden Horizont ihre eigene Schönheit entfaltet. Womöglich einer der seltenen Momente, in denen die äußere Umgebung das Innere widerspiegelt: direkt unter und um mich die Natur, hinter mir die in himmelhoch Beton gegossene Lebensart, vor und unter mir ein Lichtermeer. Ein Bahnhof, ein Highway, traffic mit unzähligen Destinationen. Und doch muss ich mich irgendwann losreißen, zurückkehren, nach einer kleinen Ewigkeit. Alleine mit meinen unerreichbaren Irrlichtern, mit den fliehenden Gedanken. Zurück ins Hotel, eine Stunde lang auf fremden Pfaden durch die pulsierende Nacht der Großstadt, in Gedanken noch immer das grüne Blitzen vor Augen, ungleich faszinierender als die Lichter der Stadt, die achtlos die tiefschwarze Ewigkeit in das eintönige Korsett eines breiigen Graus zwingen.
Wie oft bin ich in den letzten Wochen aus einem Flugzeug getreten, habe den freundlichen Hinweis "mind the step" befolgt und bin durch die immer gleichen Tunnel in immer anderen Terminals gelandet? In Amsterdam, in New Amsterdam – pardon - New York, in Detroit, in Nashville, in Mineapolis, in Amsterdam, in Nairobi – aber nur die Mauer aus feuchtwarmer Luft, die sich in Dar außerhalb des Boing-Mikroklimas aufbaute, ließ mich unbewusst innehalten. Zuerst, weil ich beim ersten Einatmen etwas überrascht war, Momente später dann wegen eines Deja vues: der gleiche Rucksack, das gleiche Gate, nur gut drei Monate früher.
Die Rückreise hätte sich eigentlich fast keinen eigenen Eintrag verdient, irgendwann schleicht sich Routine in die Abläufe ein. Man vergisst beim Metalldetektor nichts mehr (Gürtel, Geldtasche, Handy, Passtasche, Armbanduhr), nimmt den Laptop schon ungefragt aus dem Rucksack, verschläft dann den Start und erkennt langsam Unterschiede zwischen den Mahlzeiten von KLM, Northwest, Kenya - und British Airways. Kleine Unregelmäßigkeiten im Ablauf nimmt man zur Kenntnis ("I didn't get your boarding pass from Nairobi to Dar, you'll probably have to check in again. But your luggage is checked through to Dar."), denkt aber nicht weiter darüber nach.
Etwa achtzehn Flugstunden und acht Zeitzonen später steht man dann spätabends etwas irritiert vor einer Anzeigetafel, die verdächtigerweise keinen Flug nach Dar anzeigt. Es ist 20:00 abends, nach einer Drittelweltreise sind wir noch 1,5 Flugstunden von Dar entfernt: Welcome to Nairobi Airport.
Nach kurzem Herumirren in der Transit Lounge findet sich der Transfer Desk der Kenyan Airways – und ein Angestellter, der ähnlich verwirrt auf seinen Monitor starrt wie wir vor einer halben Stunde. Mein E-Ticket zerfällt nach zehn Tagen regelmäßigem Ein- und Auspacken langsam, die wesentlichen Informationen lassen sich zum Glück aber immer noch herauslesen. Trotzdem: Nein, die Flugnummer gibt es nicht – und nein, heute gibt es keinen Flug nach Dar. Sorry.
Mit der Zeit wird das Problem langsam in seine Einzelteile zerlegt: der gebuchte Flug existiert tatsächlich, aber nicht im Juni/Juli. In diesen Monaten wird aus dem Freitagnacht- ein Samstagnachtflug, allerdings gab es einen Fehler im Buchungssystem. In den zwei Wochen seit der Buchung hat irgendwer die Unstimmigkeit tatsächlich entdeckt und uns umgebucht, brillianterweise auf den 17:00 Flug nach Dar. Mit einem kleinen Schönheitsfehler: der Flug aus Amsterdam landet erst gegen 19:30. Der erste Flug um 7:20 am nächsten Tag ist ausgebucht, der Mittagsflug ebenso – bleibt nur noch der 17:00 Termin. Ein ganzer Tag in Nairobi. Mir wird zu dem Zeitpunkt klar, dass ich eigentlich kein Visum für Kenya habe – was sich aber zum Glück für einige Dollar beheben lässt. Inzwischen sickert dann auch die Erkenntnis durch, dass unser Gepäck vermutlich auch irgendwo hängengeblieben ist, die Suche startet. Dass es etwa eine Stunde und einige Telefonate dauert, bis mein Rucksack und Fredros Tasche am Förderband landen, hat auch seine Vorteile: inzwischen ist ein höherer Manager aufgetaucht und bucht uns doch auf den Morgenflug um (ich will gar nicht wissen, wessen Plätze wir übernommen haben). Ein kurzer Anruf bei meinem Chef sorgt dafür, dass die Arrangements in Dar abgesagt werden –sowohl Taxi als auch das Hotel.
Als ich eine Etage tiefer meinen Rucksack aus der verdächtig dreckigen Übertasch schäle, fällt mir ein kleines Kärtchen entgegen – in den USA haben sie es für notwendig erachtet, meinen Rucksack zu öffnen. Höflich wird mir mitgeteilt, dass auch eventuelle Schlösser kein Hindernis gewesen wären – die hätten sie aufgebrochen. Eventuell gefährlicher oder sonstwie verdächtiger Inhalt wäre entfernt worden.
Gut, zugegebenermaßen: ich habe aufladbare Batterien gekauft, die man gerüchteweise nicht im Fluggepäck transportieren sollte – wohlwissen habe ich die dann aber so eingepackt, dass sie übermäßig sensiblen Sicherheitsleuten beim Öffnen der Tasche gleich entgegen fallen, ohne dass sie sich erst durch meine Schmutzwäsche wühlen müssen. Allerdings sind die Batterien noch da, genauso wie meine dreckigen Socken und (auf den ersten Blick) alles andere.
Einige Minuten später haben wir dann ein Zimmer im Meridian sowie ein Taxi gebucht, das uns erst dorthin bringt und am nächsten Tag um 5:00 wieder abholen wird. Erster Vertrauenstest: der Agent taucht nach fünf Minuten tatsächlich mit dem Wechselgeld auf, auch das Taxi (weißes Auto ohne spezielle Markierungen? - hmm...) findet sich etwas später ein. Das Merdidian entpuppt sich als annehmbares Hotel – eher abweisende Lobby, ein sehr abweisender Innenhof, aber saubere und brauchbar eingerichtete Zimmer.
Gut vier Stunden später steht das Taxi schon wieder parat – und diesmal klappt alles wie am Schnürchen. Selbst mein nagelneues Residence Permit für Tansania wird ohne größere Diskussionen akzeptiert, ich brauche kein Visum mehr, etwas später heißt mich mein Chef wieder im Land willkommen.
Zeit für eine Dusche.
Zur Einstimmung auf ein paar "Northern Circuit"-Beiträge folgt als erstes eine relativ umfangreiche Mugshot-Gallerie. Die Bilder sind nicht sonderlich kreativ – aber es ist der einfachste Weg, um einmal zu demonstrieren, womit ein Reisender in den örtlichen Nationalparks rechnen kann. Und damit auch etwas Wissenswertes transportiert wird, sind die jeweiligen Tiernamen gleich dreisprachig aufgeführt. Extra für euch. Have fun!
Duma - Cheetah - Acinonyx jubatus
Nyumbu - Wildebeest - Connochaetes taurinus
Kiboko - Hippopotamus - Hippopotamus amphibius
Swala Tomi - Thomson's Gazelle - Gazella thomsonii
Simba - Lion - Panthera leo
Kifaru - Black Rhinoceros - Diceros bicomis
Tembo - Elephant - Loxodonta africana
Twiga - Giraffe - Giraffa camelopardalis
Nyani - Baboon - Papio anubis
Mbuni - Ostrich - Struthio camelius
Ndege karani - Secretary Bird - Sagittarius serpentarius
Punda milia - Zebra - Equus burchelli
Mbobo - Buffalo - Syncerus caffer
Kongoni - Hartebeest - Alcelaphus buselaphus
Fisi - Spotted Hyena - Crocuta crocuta