open fragments

For alt eg vett sprang eg i ring

30.3.06

Geschenke

Shortmessages, Briefe, Emails und Anrufe: wertvolle Aufmerksamkeiten, wenn man weit weg ist.
Die Schlüssel für ein eigenes Haus, zumindest für ein halbes Jahr: noch ein Geschenk, das sich wahrscheinlich nicht so bald wiederholen wird.
Ein Jahr, das fast genau zur Hälfte in der Ferne verlebt werden wird.

Danke für alles.

Falls mir jemand eine Nachricht an meine österreichische Handynummer geschickt haben sollte: es wird noch etwas dauern, bis ich sie bekommen werde.

29.3.06

Minisafari

Wieder einmal überzieht nächtliche Schwärze den Himmel – und während ich meinen Blick immer wieder über die fremden Lichtmuster ziehen lasse, ohne dass die antrainierte Mustererkennung die chaotisch verteilten Punkte mit gewohnter Leichtigkeit bekannten Sternbildern zuordnen kann, stellt sich wieder das Gefühl der Fremde ein. Bis ich plötzlich merke, dass ich glücklich bin. Glück habe. Wieder einmal sitze ich in einem Jeep, werde durchgeschüttelt, muss mich festhalten. Wie schon am Vortag hängt das Band der Milchstrasse über mir, langsam wandern die Gedanken um zahlreiche Grade durch die Gegend, astronomisch, geographich und thermisch: vom Kreuz des Südens zu den Polarlichtern, von der Südhalbkugel zu den Regionen nördlich des Polarkreises, von 33° zu -8°C. 7 Monate ist es her, dass ich dort war. Ähnlich müde und erschöpft, ähnlich weit weg vom gewohnten Lebensrythmus. Und jetzt? Frisch im Gedächtnis der Inhalt einer Email, die mir schon die nächste Reise verheißt, nach Wageningen oder Yale, in den nächsten Monaten. Eine Reise liegt in der Vergangenheit, eine breitet sich in der Gegenwart aus, eine entfaltet sich in der Zukunft. Aus einem inzwischen vertrauten Reflex winke ich einem Kind zu, das begeistert rufend an den Straßenrand gelaufen kommt. Sein „Mzungu!“ kontere ich mit einem freundlichen „Mtoto!“, was mit (noch) mehr Gelächter quittiert wird.
Auf einen Zuruf von der Ladefläche hin bremst der Jeep kurz, kommt, wenn überhaupt, nur für Sekundenbruchteile zum Stehen, fährt sofort wieder holpernd weiter: unser Koch ist vor seinem Haus abgesprungen, seine Tagesreise ist hier zu Ende. Für uns, die wir heute im Udzungwa National Park waren, geht es noch weiter. Zu einem Treffen mit mit den anderen Expats, in der Canteen. Nach Hause, ins Badezimmer, unter die Dusche, ins Bett, in eine Traumwelt.
Wie man sieht, lasse ich einen langen Tag gedankenverloren ausklingen – vielleicht auch, weil es gewissermaßen der letzte Tag eines langen Jahres ist.
Am frühen Morgen sind wir aufgebrochen, es ist der dritte Versuch, endlich in den nahegelegenen Nationalpark zu gelangen. Diesmal scheint uns Petrus (oder seine örtliche Inkarnation) gewogen zu sein, große, weiße Wattebällchen ziehen über den blauen Ozean, kontrastieren den grün-roten Untergrund, auf dem wir herumkrabbeln. Mit Guide, Fahrer, Koch und uns sechs Ausflüglern ist der Jeep voll besetzt – vier Leute verteilen sich auf der Ladefläche.

Es ist ein Dilemma: einerseits ist die Aussicht dort wesentlich besser, zusätzlich sorgt der Fahrtwind für willkommene Abkühlung, dafür könnte jedes Schlagloch abgesehen von blauen Flecken ein Grund sein, sich auf die Zunge zu beißen, aus dem Wagen zu fallen oder sich den Rücken zu verreißen. Auch wenn der Fahrer auf uns Rücksicht nimmt, müssen wir teilweise ziemliche Schläge einstecken, bis wir schließlich beim Office die „entrance fees“ für den Park (15$/P) und einen zusätzlichen Guide des Parks (10$) bezahlen können.

„Wir“ meint in diesem Fall eine Gruppe bestehend aus zwei deutschen Medizinstudentinnen, drei Schweizerinnen und einem euch bekannten Österreicher. Nach ein paar gemeinsamen Jeep-Kilometern geht es endlich zu Fuß weiter. Den Koch müssen wir nach einer kurzen Diskussion mit dem Guide am Startpunkt zurücklassen, er soll bis zu unserer Rückkehr das Essen vorbereiten.
Etwas später geht es bergauf, schwitzenderweise. Vorbei an Schmetterlingen und dem üblichen „creepy crawly“, unter mehr oder weniger regelmäßigen Erklärungen durch den Guide. Als uns schließlich immer wieder Centipedes (Hundertfüßler) über den Weg krabbeln, denke ich kurz an ein altes Wissensfragment: „Hundertfüßler, Tausendfüßler – alles das gleiche.“ Wenige Minuten später verkriecht sich der Gedanke ins gleiche Eck, in das auch schon die Vorstellung eines staubig-trostlosen Afrikas geschickt wurde – und zwar in dem Moment, in dem tatsächlich ein Tausendfüßler aus dem Unterholz bricht. Erinnert sich jemand an Peter Jacksons „King Kong“? Tatsächlich: sie schauen genau nicht so wie im Film aus, wer hätte das gedacht.



Wie auch immer, irgendwann erhaschen wir den ersten Blick auf den Wasserfall, eine Stunde später stehen wir dann plötzlich oben auf dem Felsplateau und hören das Wasser in die Tiefe stürzen, während sich vor uns das Kilombero Valley ausbreitet. Die Sandwiches liefern sich einen kurzen Kampf mit der Aussicht, um unsere Aufmerksamkeit (sie gewinnen und zahlen einen hohen Preis dafür), danach geht es etwas erholt noch weiter.



Durch Lärm, angenehm kühle Luft und feinen Sprühnebel in der Luft kündigt sich dann das zweite Ziel der Wanderung an: ein weiterer, stromaufwärts gelegener Wasserfall. Der kleine See darunter ist eine offensichtliche Einladung, auch wenn das Schwimmen durch die Strömung nicht ganz einfach ist. Die relative Ruhe (der Lärm des Wasserfalls übertönt alles) und die seltsame Stimmung (feiner Sprühnebel in der Luft) trennen das kleine Tal stark vom Rest der Umgebung ab, die Baumriesen in der näheren Umgebung tragen das ihre dazu bei, um den etwas verträumten Eindruck zu verstärken.


Irgendwann müssen wir dann den Rücktritt antreten, wandern zügig aus den kühlen Luftschichten oben in die feuchtwarmen, drückenden Schwaden weiter unter. Auf dem Weg hört man immer wieder in der Nähe lautes Rascheln, sieht kurze Bewegungen in den Bäumen: schwankende Äste, herabfallendes Laub. Unangekündigt schwebt ein Schatten durch den freien Raum zwischen zwei Bäumen: wir haben Affen aufgeschreckt. Auch wenn sie sich anfangs hartnäckig weigern, auf einem Foto aufzutauchen, irgendwann klappt es doch. Einer dieser Affen mit roter Irokesenfrisur scheint auf einmal fast neugierig zu sein, bevor auch er sich Sekunden später wieder zurückzieht – doch die wenigen Sekunden reichten aber für ein Foto. Mehrmals lassen uns die Bewegungen in den Bäumen auf dem Weg nach unten noch innehalten, versuchen wir, einen genaueren Blick auf unsere Verwandtschaft zu werfen.
Auf dem Weg nach oben, als langsam klar wurde, dass vorläufig keine Affen auftauchen würden, war die Enttäuschung nicht groß – Affen kennt man aus dem Tiergarten, aus Schönbrunn. Niedlich, aber das war es auch schon. Als sie dann aber mit einer seltsam rabiaten Eleganz die Abgründe in den Baumwipfeln überqueren und dabei mit spielerischer Leichtigkeit demonstrieren, dass dies hier ihr Lebensraum ist, in den wir nur kurz eingedrungen sind, verändert sich das Gefühl, hin zu Freude, leichter Ehrfurcht. Ich könnte versuchen, hier einen Vergleich mit einem eingesperrten Primaten im Zoo anzustellen, womit ich der Situation aber einfach nicht gerecht werden könnte. Selbst wenn ich von einer umgekehrten Situation schreiben würde, von uns Touristen, die innehalten müssen, an den Boden und den Wanderpfad gebunden, während sie sich frei bewegen, selbst das würde es nicht treffen.



Wir lassen sie schließlich hinter uns zurück, erreichen wieder die Siedlung am Fuße des Berges, wo der Koch schon auf uns wartet. Fisch, Reis, Bohnen, Obst: auch wenn der Hunger anfangs nicht groß ist, hat der Tag doch Spuren hinterlassen und die Teller leeren sich rasch. Auf der Rückfahrt breitet sich die Müdigkeit dann langsam im Körper aus, die letzten Eindrücke verschwimmen ineinander, gleichzeitig schweifen die Gedanken ab, wandert der Blick zu Orion.

A taste of things to come...






"Minisafari"

28.3.06

Mikrosafari

Wie der/die eine oder andere vielleicht weiß, liegt Ifakara im Kilombero Distrikt, auch bekannt für den Kilombero River, der im Kilombero Valley fließt. Ist die Logik der Benennung nachvollziehbar? Gut. Folgt man der Strasse aus Ifakara etwa zwanzig Radminuten in Richtung Süden, erreicht man die Fähre, die den Fluss tagsüber regelmäßig überquert. Wenn man kurzentschlossen nach Feierabend aufbricht, um bei einer kleinen, dort gelegenen Bar (Mzungus würden es einfach als Container bezeichnen) etwas zu trinken, kann das mit etwas Glück zu interessanten Fotos führen, so heute geschehen.
Wie schon erwähnt, herrscht Regenzeit – die Umgebung Ifakaras ist ergrünt. In wenigen Monaten wird sich hier gerüchteweise wieder eine staubig trockene Einöde ausbreiten, so unglaublich das im Moment auch klingt. Die Fotos weiter unten sind etwa auf halbem Weg zwischen Ifakara und dem Fluss entstanden. Laut meinem Begleiter, dem ich auch die meisten der anderen Infos verdanke, war die Sicht nach den Regengüssen außergewöhnlich gut. Um ein Gefühl für die Weitläufigkeit der Gegend zu bekommen: auf zwei Fotos (Richtung Norden und Süden) sieht man am Horizont Berge, alles dazwischen ist das Tal des Kilombero.
Fangen wir an: Sonnenuntergang, gegen 18:30, Blickrichtung Norden. Auf der linken Seite, hinter den Bäumen, verbirgt sich irgendwo Ifakara.
Eine Vierteldrehung nach links zeigt uns drei Dinge. Erstens, dass ich mich in die richtige Richtung gedreht habe, da die Sonne tatsächlich vor mir untergeht. Zweitens, ein typisches Fahrzeug aus der Gegend (in gutem Zustand und erstaunlich leer), das sich unbemerkt von hinten genähert hat und drittens, dass der Jeep fast über meinen Rucksack gefahren wäre.

Nachdem sich die Staubwolke wieder gelegt hat, entstanden die nächsten beiden Bilder. Einmal hat sich eine einheimische Frau aufs Bild gemogelt, einmal mein Kollege – die beiden sollten nicht sehr schwer auseinander zu halten sein. Blickrichtung: Süden.



Die noch fehlenden Himmelsrichtung, Osten, hatte dann ein besonders interessantes Phänomen zu bieten. Ich hätte es als den Schatten der Wolke im Westen interpretiert, nur worauf sollte er fallen?


Als wir zum Fluss kamen, war die Sonne – erinnert sich jemand an die Trickfilme, in denen die Sonne hinter den Horizont fällt? - schon verschwunden, dank Äquatornähe bricht hier die Nacht wirklich schnell herein. Aus diesem Grund gibt es auch keine Fotos von der Fähre, den Nilpferden oder den Krokodilen, die hier irgendwo auf unvorsichtige Fotographen warten*. Ich werde es nachholen.
Die Rückfahrt war – gelinde gesagt – spektakulär. In weitem Umkreis findet sich keine künstliche Lichtquelle außer Taschen- und Fahrradlampen, dazu die klare Luft: plötzlich ward das Himmelzelt aufgespannt. Sterne vom Zenit bis knapp über dem Horizont, ohne dass ein bunter, heller Schimmer als Lichtverschmutzung die ferneren Lichter überdecken würde. Die Milchstrasse, in Österreich meist nur schwach, wenn überhaupt, zu erkennen, zog sich von einem Horizont zum nächsten, das Kreuz des Südens kündete von der weiten Reise über den Äquator und nur Orion ließ ein gewisses Gefühl der Vertrautheit aufkommen.


*) Nein, in Afrika lauert nicht hinter jeden Ecke ein Löwe oder ein anderes wildes Tier. Wirklich nicht. Alles dumme Gerüchte.

26.3.06

Am Wochenende: Regenzeit

Formell gesehen befinden wir uns schon seit Wochen in der Regenzeit. Ifakara ist nicht die staubige Einöde, in die es sich gegen Ende der Trockenzeit verwandelt, sondern ein kleines, grünes Paradies – vor allem auf dem Gelände der Station. Die Regengüsse hatten sich bisher immer in Grenzen gehalten und meist nur die Form kurzer, nachmittäglicher Tropenschauer angenommen. Egal, wieviel Wasser auch in kürzester Zeit vom Himmel fiel – innerhalb ähnlich kurzer Zeit erhob es sich unter der wohlwollenden Aufsicht Ras wieder, zerrte den Zeiger des Hygrometers in Richtung des dreistelligen Bereichs und brachte mich dazu, Mineralwasserflaschen zügigst zu leeren, um auch in Zukunft dem örtlichen Regen- und Sonnengott schwitzend opfern zu können.
Anscheinend waren meine Bemühungen diesbezüglich nicht enthusiastisch genug – die für das Wochenende geplante Safari in die Udzungwa Mountains ist, wortwörtlich, ins Wasser gefallen. Schlammiges Regenwasser, um genau zu sein.
Samstag, gegen 4:00: ich wache von ungewohntem Lärm geweckt auf, kann die Kakophonie zuerst nicht zuordnen. Keine Vögel, keine Grillen oder Zikaden – nur Lärm. Im gleichen Maße, in dem sich die Müdigkeit verabschiedet, dämmert die Erkenntnis heran: das ist Regen. Genauer: das ist eine fast kompakte Masse Wasser, die sich gerade von oben auf das Haus ergießt. Ohne weiter darüber nachzudenken, schlafe ich wieder ein. Ein paar Stunden später laufe ich motivert durch die Gegend, auf dem Weg zum Treffpunkt. Am Rücken der Rucksack, gepackt mit allem Notwendigen für eine Nacht im Zelt, in der Hand den aufgespannten Regenschirm, über mir eine geschlossene Wolkendecke, die noch immer Wasser freisetzt. Auf den paar hundert Metern zum Treffpunkt beim Krankenhaus stellt sich leichte Ernüchterung ein: die Straße, die sich ohnehin in einem erbärmlichen Zustand befindet, ist endgültig unter Wasser gesetzt worden. Mein Erfolg beim Erkennen der weniger tiefen Stellen hält sich in Grenzen, dafür finde ich schnell heraus, dass eine GoreTex-Membran bei Wanderschuhen wirklich Sinn macht. Allerdings haben meine keine. Oh, das Leder hält dank Paraffinbehandlung dicht, ja – aber die Corduraeinsätze können meinen winzigen Dipolfreunden genausowenig Paroli bieten wie die Mosquitonetze am Fenster den kleinen Fliegen. Die Methode der Einheimischen, den plötzlich entstandenen Miniteich in Straßenbreite mit geraffter Kleidung in Kunststoffflipflops zu durchwaten, hat sicher ihre Vorteile.
Am Eingang zum Krankenhaus kommt man sich in Wanderausrüstung mit Rucksack erst einmal furchtbar deplaziert vor und wird auch entsprechend beobachtet. Als schließlich die ganze Gruppe versammelt ist, wird beraten – die erfahreneren Expats sind erst gar nicht aufgetaucht, Regen verheißt Schlamm, sowohl auf der Strasse als auch in den Bergen: Während ersterer dafür sorgt, dass man erst gar nicht dorthin kommt, wo man hin will, sorgt zweiterer dafür, dass man gewisse Wege sehr viel schneller hinter sich bringt, als man eigentlich wollte, bergab, beispielsweise. Das Erreichen der Hauptattraktion des Nationalparks, der Wasserfall, ist bei derartigen Regengüssen auch eher fraglich.
Beim gemeinsamen Frühstück werden einige Vorkommnisse dann als Zeichen umgedeutet, dass wir einfach nicht fahren sollen – zwei der Safariteilnehmer sind etwas krank, der ursprüngliche Guide ist wegen eines Todesfalls in der Familie nicht aufgetaucht, der Jeep wird, wie wir etwas misstrauisch beobachten, am Parkplatz herumgeschoben, etwas später arbeitet jemand mit ölverschmierten Händen am Motor. Nach einigen Gesprächen sind genug Meinungen eingeholt: das hat heute nicht viel Sinn. Vielleicht am Sonntag, eine Tagestour. Wenn das Wetter besser wird. Im Endeffekt wird es ein gemütlicher Samstag, die bereits fertigen Sandwiches werden beim Kartenspielen beseitigt. Die Option, am nächsten Tag einen Tagesausflug in den Park zu machen, bleibt aufrecht – zumindest bis kurz vor dem Besuch eines ...erm... Clubbings in Ifakara. Am Sonntag in der Früh grüßt dann die Sonne in alter Frische, nur ist niemand wach oder fit genug, um die Reise anzutreten. Aber das ist eine andere Geschichte.





24.3.06

I say:

Ich entschuldige mich hiermit für alles, was ich in den nächsten Monaten vergessen werde. Geburtstage, beispielsweise - weil der Kalender in Wien in einer Kiste liegt. Den alten Spruch von wegen "Man muss nur wissen, wo man nachschauen kann" kennt jeder - und unter Studenten ist er besonders beliebt. Trotzdem: ich halte ihn nur für eingeschränkt gültig, angesichts meines Kalenderproblems tendiere ich jetzt eher in Richtung "Man muss nur wissen, wo man nachschauen kann und wie man zu diesem Ort kommt.". Als zusätzliche Erweiterung bietet es sich dann noch an, eine kleine zeitliche Lokalisierung an: "Man muss nur wissen, wo man nachschauen kann, wie man zu diesem Ort kommt und wann eine gute Gelegenheit zum Nachschauen ist.". Wenn ich weiß, dass im März n Geburtstage sind, sollte ich mich idealerweise Anfang März an die obige Aussage erinnern. Und wenn ich weiß, dass Anfang März bereits einige schwer überbrückbare Meter zwischen mir und meinem Kalender liegen werden, sollte ich vielleicht Ende Februar nachschauen. Etc. Aus aktuellem Anlass und damit sich auch wirklich jemand angesprochen fühlt: Grüße nach Grießkirchen und Schwanenstadt.

Ich entschuldige mich auch für das, was ich im Blog nicht schreibe. Das mag paradox klingen, manchen gegenüber habe ich das Problem aber schon angesprochen: nicht alles ist geeignet, im Blog öffentlich diskutiert zu werden. Bespielsweise wenn es andere Menschen, örtliche Institutionen oder auch meine Arbeit betrifft. Manches davon findet trotzdem - oder gerade deswegen - seinen Weg in private Emails oder andere Konversationen, mit teilweise unerwünschten Folgen. Es tut mir leid, nichts davon ist persönlich gemeint, als Vorwurf zu verstehen oder ein Aufruf zum Handeln. Das Leben läuft hier so ab, wie es eben abläuft - und ich bin im Moment ein Teil davon. Nicht dass ich mir einbilden würde, hier wirklich integriert zu sein, aber dennoch: ich arbeite daran. Wenn ich also über die Gegebenheiten vor Ort schreibe, ist das ein Bericht, Informationen - und kein Versuch, Mitleid oder ein schlechtes Gewissen auszulösen. Vermutlich liegt das Problem vor allem auch darin, dass ich eben kein umfassendes Bild zeichnen kann und vor allem die negativen Dinge erwähne. Wie so oft: manchmal gibt es nur eine halbe Wahrheit, wenn überhaupt.

Und außerdem entschuldige ich mich für das Wochenende: eine kleine, zweitägige Safari in einen nahegelegenen Nationalpark steht auf dem Programm. Wenn mir St. Lucas zulächelt, gibt es nächste Woche ein paar Fotos für euch.

this is your life
good to the last drop,
doesn't get any better than this
this is your life, and it's ending
one minute at a time
this isn't a seminar
and this isn't a weekend retreat
where you are now
you can't even imagine
what the bottom will be like

(Chuck Palahniuk)

21.3.06

Auftragsarbeiten

Das folgende Foto ist den deutschen Radfahrerinnen gewidmet, die schneematchbedingt noch zu Hause ausharren müssen. Cheers!

Diese wanzenartigen Dinger haben genau zwei Vorzüge: erstens sind sie harmlos, zweitens passen sie nicht durch den Türspalt. Ganz im Gegensatz zu diesen seltsamen Laufkäfern, die sich neuerdings nicht mehr aus dem Zimmer scheuchen lassen und sich dann mit Begeisterung von der Unterseite der Tischplatte auf meine Füße fallen lassen, wenn ich am Schreibtisch arbeite. „Pock!“ Gerüchteweise setzen sie eine stinkende Substanz frei, wenn man sie zu sehr ärgert – ich halte mich noch zurück, bis zu meinem Umzug werde ich mich noch mit ihnen arrangieren können. Wer hat mir eigentlich nicht geglaubt, als ich von handtellergroßen Insekten gesprochen habe?

20.3.06

Afrika? Einfach den Pfeilen folgen.

In der Wissenschaft heißt es immer wieder, dass man lernen muss, die großen Fragen zu stellen. Woran erkennt man eine große Frage? Von den Leuten hier vor Ort werde ich nach „pocket money“ gefragt, oder nach Essen. Wenn ich kein Essen habe? Geld, das würde auch helfen. Was macht man? Helfen würde man gerne, wenn es wirklich notwendig ist. Nur – warum genau braucht jemand Geld, wenn er ohnehin einen bezahlten Job hat? Vielleicht, weil ein Versuch nicht schaden kann? Die Leute, denen mit etwas Geld wirklich geholfen wäre, laufen mir im Moment noch nicht über den Weg: diejenigen, die nicht genug Geld zur Verfügung haben, um überhaupt ins Krankenhaus zu kommen, beispielsweise. Oder um danach dann die notwendigen Medikamente zu kaufen. Von welchen Beträgen hier die Rede ist? Meist nur wenige tausend TSH, also niedrige, einstellige Eurobeträge. Im Moment fehlt mir auch noch das sprachliche Rüstzeug, um die Situation „auf der Spraße angesprochen werden“, die kurioserweise in den Kauderwelsch-Sprachführeren nicht behandelt wird, auch nur annähernd elegant, geschweige denn eloquent, zu überstehen. Was bleibt? Pole sana, pole sana.
Von euch, meinen werten Lesern, werde ich dagegen gefragt, warum es mich ausgerechnet hierher verschlagen hat. Nach Afrika, nach Tansania, ins Landesinnere, in ein Sumpfgebiet, den „malaria belt“. Abhängig vom Fragenden ist die Antwort bisher immer etwas anders ausgefallen. Teils, weil ich es selbst nicht wusste, teils weil es einfach eine Reihe von Gründen gab, in jeder Phase der Planung einen anderen. Für manchen vielleicht überraschend: die Molekularbiologie war meistens nur ganz, ganz am Rande relevant - das Studieren im Allgemeinen dagegen schon.
Um diesen Beitrag jetzt vor dem Abrutschen in stilistisch noch unattraktivere Gefilde als bisher zu bewahren, werde ich auf den „Begonnen hat es vor fast 23 Jahren“-Einleitungssatz verzichten und stattdessen fast zwei Jahrzehnte überspringen. Vor fünf Jahren, kurz vor der Stellung, ist mir auf der Website zu den Projekten, bei denen Auslandszivildiener benötigt werden, ein spezielles aufgefallen: Wasseranalytik in Kenia. Brunnen graben, Wasserqualität überwachen – hörte sich interessant an. Wenn man schon ein Jahr für den Staat arbeiten muss, soll es wenigstens etwas Sinnvolles sein. Ein paar Monate später hatte sich das Problem für drei Jahre erledigt, kurz vor der Nachstellung recherchierte ich dann nochmals. Das Projekt hatte alle Kürzungen der vergangenen Jahre überstanden und nahm immer noch Zivildiener auf – die Idee einer kleinen Afrikaexkursion gefiel einer mir damals noch nahestehenden Person allerdings nicht sonderlich. Unnötigerweise, wie sich zeigte: einige Monate später konnte ich das Problem Zivildienst dann endgültig abhaken und mein Augenmerk langsam mehr auf ein Auslandssemester richten: USA, Australien, Kanada, Neuseeland – beispielsweise. Wie es sich manchmal so ergibt, bechloss dann die „nahestehende“ Person, dass sie ihrer eigenen Wege gehen wollte und machte mir anschließend innerhalb einger Wochen/Monate sehr nachdrücklich klar, dass ein zukünftiges, distanzierteres Nebeneinander unmöglich bis unerträglich für mich sein würde. Pole sana, indeed.
Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich dann in den Sommer retten, acht Wochen (wahlbei)spielend auf der Flucht in einer fremden Laborwelt, Menschen aus aller Welt kennenlernen, weg vom Alltag. Als dann der Herbst, und mit ihm der alte Unitrott, seine ersten Vorboten entsandte, entschloss ich mich kurzfristig, alleine dorthin zu flüchten, wo ich Ruhe zu finden hoffte: nach Lappland.
Der eine oder andere mag an diesem Punkt glauben, dass ich mich mit meiner Erzählung in völlig irrelevante Bereiche verlaufen habe, was so aber nicht ganz richtig ist – ich bitte um etwas Geduld. Die Reisevorbereitungen für eben diese Wandertour waren der eigentliche Grund, warum ich mit dem Laborleiter ins Gespräch kam: An diesem Abend in der letzten Arbeitswoche dauerte ein Experiment länger, er nahm mich mangels Shuttlebus mit zum Bahnhof – und wir sprachen über Natur, Wildnis und „going out“. Was er in meinem Alter gemacht hatte – und ob es mich nicht auch interessieren würde, nach Afrika zu gehen. Zu dem Zeitpunkt hielt mich nichts in Österreich, ich war begeistert. Danach – nunja, wir hätten es fast nicht mehr geschafft, nochmals ernsthaft darüber zu sprechen. Aber eben nur fast.
Schweden... zwei Wochen alleine mit dem Zelt im Fjell rund um den Keb waren eine Grenzerfahrung, sowohl die rein körperliche Leistung, als auch die herausfordernde Umgebung und auch die Einsamkeit betreffend. Fazit? Perfekt, um Stress abzubauen. Die „gerade noch gutgegangen“-Situationen schärfen den Blick für Wesentliches und zwei Wochen sind viel Zeit zum Nachdenken, natürlich auch über die Afrika-Pläne. Kurz nach meiner Rückkehr wurde mir aber wieder schmerzhaft klargemacht, dass selbst das nur ein Anfang war und es nicht gereicht hat – wenn man schon vor sich selbst wegläuft, sollte man nicht einfach stehenbleiben.
Nach dieser Erkenntnis bemühte mich mich wieder mehr um das Praktikum, zog Erkundigungen ein, suchte nach Finanzierungsmöglichkeiten. Und schließlich war die Zusage da, kündigte sich mit einem leisen „Pling!“ an. Die Email lesen, dann noch einmal. Nachdenken, ein ganzes Wochenende mit einer Bestandsaufnahme verbringen: was hält mich in Wien, wie sehr würde ich meine Freunde vermissen, die Familie? Wie notwendig/heilsam ist etwas mehr Abstand von anderen Personen? Außerdem: ein spannendes Projekt, sehr gute Leute und ein brauchbarer Zeitplan (ich wollte eigentlich schneller weg). Sieben Monate in Afrika, weit weg von Wien – sowohl geographisch als auch kulturell. Ein Entwicklungsland, eines der zwanzig ärmsten Länder überhaupt. Tropen, Palmen, indischer Ozean, Kilimandjaro, Nationalparks. Was weiß man schon über das Leben in diesen Ländern?
Auf den ersten Blick fand sich leider keine Molekularbiologie in der Projektbeschreibung, was meine Finanzierungspläne ins Schwanken brachte und mich etwas zögern ließ. Schließlich fand sich doch noch ein Professor, der mir Stunden anrechnen würde, womit die vorläufig letzte Hürde gefallen war. Nach und nach zog auch noch ein anderer Gedanke seine Kreise: ich würde endlich sehen, ob man abgesehen von der uns Molekularbiologen immer prophezeiten Karriere hinter der Werkbank noch Alternativen finden kann. Abseits der Big Science, ohne große Forschungszentren, an Themen, die nicht nur vielleicht, mit viel Glück, irgendwann in ferner Zukunft, wenn alles gut geht, wenn sich jemand der Erkenntnisse erbarmt und sie praktisch umsetzen will, irgendwem, der dafür zahlen kann, zu Gute kommen, sondern Forschung, deren Ergebnisse zügig vor Ort umgesetzt werden sollen. (.. to be continued ..)

17.3.06

Frühlingsbeginn

Weiße Flöckchen, Niederschlag, Eis, trübe Aussichten, -18°C.

Meine werten Molbio-Kollegen werden bei der Begriffssammlung vermutlich an den Laboralltag denken, an Proteinfällungen, Reaktionsansätze, glücklich wachsende Coli-Kulturen und die Enzyme, die sowieso immer im Winterschlaf dahindämmern. Normale Menschen dagegen, die langsam genug von den winterlichen Zuständen haben und deren Wahrnehmung des Alltags noch nicht durch eine Kombination aus jahrelangem Schlafen mit dem Alberts und Ethanoldämpfen verzerrt wurde, denken wahrscheinlich eher an das mitteleuropäische Märzwetter.
Mit einer gewissen Regelmäßigkeit tauchen in meiner Mailbox Nachrichten auf, die ich erst einmal antauen lassen muss, bevor ich sie lesen kann. Knackend brechen beim Anklicken ein paar Eiszapfen ab, kurz danach staubt mir beim Öffnen eine kleine Schneewolke entgegen. Und beim Lesen laufen mir schließlich kalte Schauer über den Rücken. Leute, ich kann zur sagen: Pole! Wirklich. Mitte März, Minusgrade und Schnee, fürchterliche Zustände. Ich habe vollstes Verständnis für alle Zugvögel, die es sich hier in Tansania gemütlich machen. Störche, rabenartiges Federvieh (krächzend, schwarz mit weißer Brust, in Schwärmen) und allerlei singende Vögel, beispielsweise. Was könnt ihr ihnen denn schon bieten? Südtiroler Vogelfänger, miserables Wetter und Grippe.
Dass ich mir diese Gedanken machte, als ich gestern im (eigentlich zu warmen) Swimmingpool herumlag, sollte ich an dieser Stelle vielleicht nicht erwähnen. Oder dass ich mich nach einem herrlichen Sonnenuntergang mit einigen Expats in der Canteen getroffen habe, während die Luft unter kräftigem Wetterleuchten am Horizont und kurzen Regengüssen langsam auf gemütliche 25°C abkühlte.
Vermutlich habe ich den optimalen Zeitpunkt zum Aufhören vor etwa sieben Zeilen verpasst, aber daran kann ich jetzt auch nichts mehr ändern. Ignoriert mich einfach. Zum Trost gibt es dafür noch zwei Bilder von der gestrigen Abendstimmung. Keine Sorge, der Frühling kommt auch noch zu euch. Ganz sicher. Irgendwann.



15.3.06

Spitze

Ich frage mich, ob ich mir wegen der Nadel, die gerade in meinen Finger gestochen wurde, Sorgen machen sollte – vermutlich unnötigerweise, der Mann dürfte wissen, was er macht. Auf jeden Fall wurde sie mit Alkohol desinfiziert. Kurze Diskussion über die Symptome, dann bot er als Erklärung an, dass ich vielleicht zuviel arbeite. Auch ein interessanter Ansatz. So oder so - er bringt das Ergebnis vorbei, so bald er es hat. Zum Ablauf des Tests gibt es nicht viel zu sagen: es ist ein seltsames Gefühl, an etwa acht anderen, bereits wartenden Patienten vorbeigereicht zu werden. Ich hatte nur vorsichtig gefragt, ob ich mich hier testen lassen kann und wurde gleich gebeten, Platz zu nehmen.
Inzwischen ist auch das – negative – Ergebnis da, keine Plasmodien zu finden. Falls es jemanden interessiert: Fieber ist anscheinend kein notwendiges Kriterium zur Erkennung von Malaria, genausowenig wie das Einnehmen der Prophylaxe ein Ausschlusskriterium ist, eine Kollegin wurde trotz Malarone krank. Sonstige Merkmale? Müdigkeit, Krankheitsgefühl, Durchfall (insbesondere gelber, Hämoglobinabbau zu Bilirubin?), Erbrechen und eben eventuell wechselndes Fieber.

Vielleicht ist es angebracht, an dieser Stelle einen meiner Protagonisten aus früheren Einträgen nochmals zu erwähnen. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich ihm/ihr nachtrauere – aber mein achtbeiniger Freund/Freundin hat das Zeitliche gesegnet, unter beunruhigenden Umständen. Gestern abend war ich schon etwas angeschlagen, aber als ich von einem abendlichen Ausflug in die Canteena ins Zimmer zurückkehrte und von den Halbschuhen wieder in die Sandalen wechseln wollte, war ich dann doch reichlich irritiert. Ich ziehe die Sandalen an – und plötzlich wird mein kleiner Gast sichtbar. Schlimm genug, dass er neben meinem Bett herumliegt, schließlich trample ich dort frühmorgens meistens barfuß herum. Noch schlimmer, dass der Skorpion bei meinen Schuhen war – ich bin die letzten zwei Wochen sicher mehrmals achtlos („Halbschlaf“) in die Sandalen geschlüpft. Insbesondere gilt das für die vorletzte Nacht, in der ich extrem schlecht geschlafen hatte und nachts zumindest einmal durchs Zimmer marschiert bin, auf der Suche nach meiner Wasserflasche.
Und als letztes Highlight entpuppt sich der Kleine auch noch als tot. Plattgetreten. Dagegen ist im Falle eines giftigen Insekts hier in der Gegend prinzipiell nichts einzuwenden, selbst wenn man ausgeprägte Sympathien für den Naturschutz hegt, aber üblicherweise sollte man das absichtlich machen. Mir behagt die Vorstellung, dass ich unabsichtlich und unbemerkt in Sandalen auf einen Skorpion gestiegen bin – neben meinem Bett – eher weniger. An die anderen beunruhigenden Alternativen, dass er sich beispielsweise unter den Sandalen versteckt hatte und ich ihn beim Anziehen zertreten habe, verschwende ich lieber nicht zu viele Gedanken.
Als Optimist könnte man sagen, dass ich ausgesprochenes Glück habe: andere Biologen haben in mehreren Monaten keinen einzigen Skorpion zu Gesicht bekommen, wogegen ich gleich zwei mal heimgesucht werde. Zumindest kann ich jetzt einem Kollegen einen Wunsch erfüllen, der schon lange einmal einen Skorpion sehen wollte. Der hier ist zwar etwas flacher als normal, aber eigentlich noch recht gut erhalten. Und nachdem er sich auch bei mehrmaligem Anstupsen mit der Luftpumpe und übersiedeln in ein Briefkuvert nicht bewegt hat, gehe ich davon aus, dass er tot ist. Angreifen werde ich ihn trotzdem nicht.

Halbe Stunden

Dreißig Minuten dauert es, einen Malariatest zu machen. Ein paar Tropfen Blut einsammeln, anfärben, unter dem Mikroskop betrachten. Die Erythrozyten auf die Anwesenheit von Plasmodien überprüfen. 1000 TSH je Test.
Und genau das werde ich jetzt machen lassen. Sicherheitshalber.

9.3.06

Walking barefoot?

Drei Stunden später, wenige Minuten vor Mitternacht: ich stehe auf, schaue kurz auf meine Sandalen und überlege, ob es sich lohnt, sie zur Überwindung der paar Meter bis zum Badezimmer anzuziehen. Nachdem ich meinen inneren Schweinehund überwunden habe und als Kompromiss die Klettverschlüsse offen lasse, stehe ich im dunklen Badezimmer, taste mit der Hand nach dem Lichtschalter. Als die Neonröhre summend zum Leben erwacht, fällt mein Blick auf den Betonboden neben meinem Fuß. Seltsamer Käfer. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7... Moment, zuviele Beine. Dazu noch ein seltsam langer Schwanz und ...Scheren? Vorsichtiger Schritt zurück, aha, ein Skorpion. Sehr schön.

Laut ärztlicher Auskunft sind die Tiere hier in Afrika nicht sehr giftig, mehr wie ein sehr unangenehmer Wespenstich. Und je größer die Scheren sind, desto ungiftiger ist er. Mit dieser Information im Hinterkopf beäuge ich das kleine Krabbeltier noch etwas, ohne zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen. Für ein paar Sekunden freue ich mich, dass ich nicht in Mexiko bin – dort können die Tiere anscheinend wirklich gefährlich werden. Aller Freude zum Trotz: bevor ich mich mit der Kamera für eine Nahaufnahme heranwage, vergehen ein paar Sekunden. Nach den Erfahrungen mit einer kleinen Springspinne, die bei etwa einem Zentimeter Körperlänge meinen Laptop mit zwei Sprüngen überquert hat, traue ich Tieren mit Exoskelett ziemlich alles zu.

8.3.06

25 Zentimeter

Ein kleiner Wächter hat es sich über mir bequem gemacht, kopfüber alles beobachtend. Oder vielleicht auch eine Wächterin - schließlich ist Weltfrauentag. Meist bewegungslos, immer still und ruhig, zumindest tagsüber. Wo er (sie) nachts unterwegs ist, will ich lieber gar nicht genauer wissen, vertraue auf das Mosquitonetz. Der Gedanke, dass mir beim Aufwachen ein so fremdartiges Augenpaar entgegenstarren könnte, hat etwas Beunruhigendes. Vor allem, wenn ich vorher vielleicht von einem Paar brauner Augen geträumt habe.

Eines muss man dem Hausgast zu Gute halten – die abendliche Fotosession lässt er gelassen über sich ergehen, ganz ohne Starallüren und Kosmetikorgien. Nur mit dem Posieren klappt es nicht so richtig, aus der gewohnten Spiderman-Position (kopfüber an der Wand wird erst nach längerer Ermunterung in die invertierte Spiderman-Position gewechselt. An Kreativität mangelt es also. Aber ich will mich nicht beschweren, so lange das Insektenfangen klappt, kann es bei den Modelqualitäten ruhig hapern. Wie sich sechs Beine wohl auf dem Catwalk unterbringen lassen?

7.3.06

Von Zweibeinern, Vierbeinern und „creepy crawly“

Die ganz kleinen Zweibeiner sind einfach zu verstehen – sie rennen weg, wenn man ihnen zu nbahe kommt. Gekocht oder gebraten sind sie reichlich zäh und als Bonus ist die männliche Variante meistens einfach zu laut. Neben dem praktisch-nährstoffreichem Aspekt sorgen sie zusätzlich für eine idyllische Szenerie – im Labor steht aktuelles Hightechequipment, draußen vor dem Fenster pickt das Federvieh im Schatten von Grünzeug, das der heimatliche Discounter als „Tropische Zimmerpflanzen“ anpreisen würde. Ein spezielles Talent dürfte das Legen von Eiern mit weißem Dotter sein, scheinbar bekommen nur die Hühner der Baldegger Schwestern genug „buntes“ Futter, um dem Wort „dottergelb“ eine Existenzberechtigung zu verschaffen. Ähnlich wie auch in Europa hat hier bereits das Warten auf die Vogelgrippe angefangen. Die Auswirkungen auf die örtliche Bevölkerung wären sicher wesentlich dramatischer als auf den durchschnittlichen Österreicher - und der hat im Moment anscheinend nichts besseres zu tun, als seine Katzen im Tierheim abzuliefern oder sie gleich einschläfern zu lassen (derstandard.at).
Womit wir bei den Vierbeinern angekommen wären - diese gibt es in der kleinen, pelzig eleganten Form und in der etwas größeren, etwas tollpatschigeren und nicht minder pelzigen Variante. Beide sind im allgemeinen tollwutgefährdet und streunen wild in der Gegend herum. Wenn einem spätabends ein kleines Kätzchen mit Riesenohren quer durch die ganze Stadt folgt, es aus dem Dunkel der unbeleuchteten Strassen immer wieder in den Lichtkegel der Taschenlampe stolpert, fällt es schwer, kein Mitleid mit ihm zu haben.
Als Bonusklasse bei den Vierbeinern ist dann die schuppige Ausführung verfügbar, in verschiedenen Größen und Habitaten. Abteilung klein und niedlich: der dunkle 5cm-Gecko im Badezimmer. Nächster Stock, groß und schuppig: der grüngraue 25cm-Gecko (?) im Schlafzimmer. Auch er schaut mit etwas gutem Willen noch niedlich aus, sollte aber nicht mit österreichischen Eidechsen verglichen werden – dazu wirkt er zu massig. Going Kingsize: die kaninchenvertilgende Eidechse. Ich freue mich schon auf das erste Aufeinandertreffen. Wenn ich es in nächster Zeit einmal zum Kilombero River schaffe, dürften auch die ersten Krokodile auf mich warten.
Am häufigsten trifft man aber auf Tiere, die weder niedlich, noch pelzig oder wohlschmeckend sind – auch wenn Ausnahmen die Regel bestätigen. So gelten schwärmende Ameisen frittiert als Delikatesse. Generell scheinen aber vor allem unsympathische Sechsbeiner herumkrabbeln. Beispielsweise kleine Ameisen im Submillimeterbereich, die plötzlich eine Strasse in Richtung Laptop anlegen, darunter verschwinden und nie wieder zum Vorschein kommen. Ein kurzer Blick zeigt dann, dass sie durch ein Loch unterhalb des Akkus im Gehäuse ein neues Zuhause gefunden haben. Noch Stunden später krabbelt eine der kleinen Besucherinnen über die Tastatur – wo ihre Schwestern geblieben sind, ist mir noch immer nicht klar. Wahrscheinlich gebraten oder einem Kurzschluss zum Opfer gefallen. Hoffentlich. Die Riesenameisen sind leichter zu beobachten – bei etwa 1,5 cm Köperlänge hätten sie wahrscheinlich auch Probleme, in den Laptop zu gelangen. Etwas unsympathischer wird es, wenn man Käfer entdeckt, die wie Blattwanzen auf Steroiden wirken – wenn man nicht zu große Hände hat, gehen sie sicher als handtellergroß durch. Dagegen kann man die kastaniengroßen Nashornkäfer (?) fast schon mit Wohlwollen betrachten – vor allem, weil sie sich langsam und vorhersehbar bewegen. Über auf den ersten Blick vertraut wirkende Insekten habe ich mich zuerst noch gefreut: „Hey, ein großer Laufkäf...“ bis er mir flügelschlagenderweise entgegenkam und ich ihn schleunigst von meinem Tshirt geschüttelt habe. Ansonsten finden mich jede Menge fliegende Insekten in allen Größen, umschwirren nachts hungrig das Mosquitonetz. Bisher nur angekündigt wurden mir große, bunte und giftige Tausendfüßler sowie sehr große Küchenschaben. Ein praktischer Tipp für den Umgang mit ihnen: Nicht draufsteigen, da sonst die Eier am Rücken freigesetzt werden. Und etwas später hat man dann die Verwandtschaft am Hals.
Stichwort verwandt – positiv heben sich im Moment vor allem die Schmetterlinge ab, die in teilweise ungewohnter Größe durch die Gegend taumeln. Wo auch immer sie landen, sorgen sie für prächtige Farbtupfen. Was für die Augen die schillernden Flügel sind, ist das nächtliche Zirpen für die Ohren: Unzählige Grillen/Zikaden machen freundlich auf sich aufmerksam - sofern man nicht empfindlich auf den Lärm reagiert.
Die etwas ungewöhnliche Formulierung entstammt übrigens meinem Swahili-Lehrbuch, gefunden unter mdudu/wadudu: „an 'insect' (any creepy-crawly)“. Und bevor es wieder Beschwerden hagelt: ja, ich weiß – ein Beitrag wie dieser schreit geradezu nach Fotos. Ich werde mich bemühen.

4.3.06

The place you go to die

Nach den Reaktionen auf die ersten Beiträge und einigen Gespräche mit den Leuten vor Ort hatte ich mir vorgenommen, in Zukunft etwas andere Beiträge zu verfassen. Nach den letzten Tagen und Stunden fehlt mir allerdings die positive Stimmung, um einen angemesseneren Text zusammen zu stellen. Sorry, Leute.
Um gleich die Verwirrung bezüglich der Überschrift aufzuklären – das war eigentlich eine unter sehr viel Lachen erfahrene Information, die aber nicht ganz gesichert ist. Ich wollte – nach einer externen Anregung – herausfinden, ob das Wort „Kilombero“ (as in „Kilombero River“) eine besondere Bedeutung hat. Die Befragten haben kapituliert, dafür habe ich netterweise erfahren, was „Ifakara“ bedeutet. Richtig, siehe Titel. Auf meinen fragenden Blick hin kam die Ergänzung, dass es den Namen (so die Übersetzug stimmt) auf Grund der gesundheitlichen Probleme in der Gegend erhielt. „It used to be some kind of death sentence to be sent here, with all the disease and swamps and stuff.“ Man beachte die Verwendung der past tense. Warum ich trotz der guten Vorsätze einen so plakativen Satz als Titel verwende? Wahrscheinlich, weil er zur Stimmung und zum Inhalt des restlichen Beitrages passt.
In meiner Freizeit führe ich lange Gespräche, in denen immer wieder die falsche Wahrnehmung von Afrika „im Westen“ betont wird. „It's all seen as some kind of hellhole: famine, death, revolution, whatever. Nobody sees the progress.“ Und wenn ich mir auch einrede, dass ich nicht dieses Bild vor Augen hatte – schließlich habe ich mich ja „hierher gewagt“, nicht? - zeigt ein kurzer Blick auf die ersten Beiträge, ein kurzes Blättern im Tagebuch sofort, worauf ich als erstes geachtet habe. Auf die Kriminalität, auf die Armut, auf die Unterschiede. Und je klarer sich dieser Schluss vor verschwimmendem Hintergrund abzeichnet, desto interessanter wird eine Frage: bin ich trotzdem oder deswegen hier?
Es ist unschwer zu erkennen, dass ich heute etwas ins Grübeln geraten bin. Der eigentliche Auslöser war vermutlich der erste längere Ausflug in die Stadt. Oder auch die Gespräche mit einigen Expats, die im Krankenhaus arbeiten. Plötzlich steht man unter Palmen, neben einem Grillrost – und in die englischen Gesprächsfäden mischen sich plötzlich schweizerdeutsche Wortwechsel. Irgendwann fällt der Strom aus, dafür leuchten Fireflies und Kerzen auf, Gesprächsthemen flackern ähnlich unruhig kurz auf, verschwinden wieder. Quasi nebenbei erfährt man einiges über die Situation im Krankenhaus, von Ärzten, KrankenpflegerInnen und Hebammen.Von eigentlich vermeidbaren Todesfällen, von Leuten, die zu spät in die Krankenhäuser kommen. Von Krankheiten die in den Lehrbüchern als behandelbar und harmlos abgehakt wurden. Und dann betont ein Arzt wieder, wie weit das Land in den letzten 40 Jahren gekommen ist. Von einer Handvoll Ärzten in den Sechzigern zum heutigen System – Irland hätte dafür ein Jahrhundert gebraucht. Es stimmt natürlich, nichts davon ist wirklich neues Wissen. Ich bin mir sicher, dass back home noch immer Plakate zu Spendenaktionen aufrufen, die ich täglich gesehen und ignoriert habe – doch erlebt man es anders, wenn man hier ist.
Keinen halben Tag später holt mich das Thema wieder ein – gerade habe ich ein neues Fahrrad gekauft, aus China importiert. Kategorie Imitat eines britischen Waffenrads, ohne Schaltung. Highlight: die Bremsen werden über ein Gestänge bewegt, ganz ohne Seile. Es gibt zwar auch (unwesentlich teurere) Moutainbikes, die aber gerüchteweise noch anfälliger für Schäden sind. Kostenpunkt: 75000TSH, plus ein paar Tausend TSH für den Mechaniker, der Licht, Bremsen und Schloss montiert – und der später vermutlich im Wochentakt die Schläuche wechseln oder sonstige Reparaturen durchführen wird.
Der kurze Ausflug führt mich danach noch weiter über den Markt, wo sich die Preise für viele Nahrungsmittel in den letzten Monaten verdreifacht haben – auf Grund der (bis vor kurzem anhaltenden) Trockenheit. Anscheinend waren die letzten drei Jahre eher trocken, inzwischen haben die meisten ihre Vorräte verbraucht. Dementsprechend werden die höheren Preise inzwischen zu einem Problem. Nicht für uns, nein. Aber möglicherweise für die Frau, die sich um zwei kränkelnde Kinder kümmert, deren Eltern an AIDS gestorben sind. Und überhaupt.
Während ich das alles nach und nach aufnehme, drängt sich immer mehr ein Gedanke in den Vordergrund: ich kenne bisher quasi nur ein kleines Paradies, hier arbeiten die Leute, sind – laut Kollegen - weitgehend zufrieden. „You have to take life as it is“. Weiter draußen in den Dörfern werde ich andere Dinge zu sehen bekommen - und ich sitze jetzt schon nachdenklich herum, neben dem Swimmingpool. Ironie ahoi!
„Noch Fragen?“ Ich gehe nicht davon aus, dass meine Reaktion auf die Umgebung hier sonderlich kreativ ist, vermutlich geht es fast jedem so. „Aufgewühlt“ beschreibt es wahrscheinlich am besten, noch ist es nichts Konkretes. Ich werde sehen, welche Empfindung sich am Ende herauskristallisieren wird. Werde ich anderen Leute Vowürfe machen, mir selbst meinen moralischen Zeigefinger entgegen strecken, alles ignorieren?
Vielleicht fange ich jetzt auch an, die Bedeutung der Frage: „Bist du zum ersten Mal in einem Entwicklungsland?“ zu verstehen, die mir regelmäßig gestellt wird. Hoffentlich geht es mir mit „Afrika ist, wenn man trotzdem lacht“ bald ähnlich.

1.3.06

Jenseits von Österreich

„You should get ouf of the train as close to the station as possible. There are always people hanging around outside.“ Nach einer bedeutungsschweren Pause: „..and they are usually up to nothing good.“ Nach dem Ratschlag führt mich der Kollege, den ich vor ein paar Stunden getroffen habe, durch einige Waggons, wir steigen wirklich direkt vor der Station aus. Lauwarmer Nieselregen, rundherum Wetterleuchten, Menschen, die zu irgendwelchen Kleinbussen drängen. Und schließlich werde auch ich im Jeep durchgeschüttelt, halte zusammen mit dem Kollegen meine Rucksäcke auf der hinteren Ablage unter Kontrolle und erreiche im nächtlichen Regen die Forschungsstation. Etwas später liege ich zum ersten Mal in meinem Leben unter einem Mosquitonetz. Frisch geduscht - aber etwa 8000km weit weg von meinem bisherigen Bett.
Früh bin ich wieder wach – dank krähenden Hähnen, irgendwelchen Insekten, einer Webervögelkolonie und dem Handywecker. Noch etwas später folgt die Führung durch die Station, Frühstück und jede Menge Menschen mit Namen. Schließlich lande ich in einem Jeep, sehe als Beifahrer Ifakara. Ein Kollege dolmetscht beim Kauf einer Simkarte (Prepaid), plötzlich stehe ich am Ufer des Kilombero River. Mir wird eine neue Geschichte übersetzt: Jemand hat sich im Fluss gewaschen, sein neues Fahrrad am steilen Ufer zurücklassend. Als er gerade hinausklettert, kommen zwei Menschen vorbei, sagen ihm, dass er noch Seife in den Haaren hat. Er geht noch einmal zurück in den Fluss, taucht kurz unter – und als er wieder etwas sieht, sind die zwei weg. Samt seinem Fahrrad.
Als ich zurückkomme, ist mein Laptop ans Netzwerk angeschlossen. Gerade noch standen ein paar kleine Kinder rund um den Wagen und haben mich fasziniert angestarrt, jetzt höre ich wieder das Geräusch einer eintreffenden Instant Message.
...