open fragments

For alt eg vett sprang eg i ring

22.10.06

MFG, TGV...

ETOT -150: PIs kommen an
ETOT -149.9: Chaos bricht aus
ETOT - 74: Chaos zeigt Muster, schaut verwirrt an sich herunter und löst sich in einem leisen entropischen *Puff* auf.
ETOT - 68: Laptop hat ein Nahtoderlebnis, 250ml zuckriger Flüssigkeit sind beteiligt.
ETOT - 65: Laptop wird sitt aufgefunden, spielt aber immer noch Musik.
ETOT - 64.5: Es wird ein Proposal eingereichet. 2,5h sind genug Zeit zum Zusammenpacken der eigenen Habseligkeiten, bei einem Aufenthalt von <8 Monaten.
ETOT - 62: Vorhersage bestätigt, Ifakara verschwindet in einer Staubwolke
ETOT - 48: Zum Flughafen. 36h Zanzibar.

16.10.06

Dramaturgie: durchgefallen

Nur fünftausend Meter liegen zwischen dem ersten und dem letzten Bild.





Sorry, aber die große Version wuerde jemanden ungluecklich machen.







Höhenmeter, natürlich. Und ein gebrochenes Handgelenk.

11.10.06

Löwen! Löwen!



Ok, ich konnte es mir nicht verkneifen – eine kleine Erhöhung des "Knuddel"-Faktors zu Beginn des Eintrages war zu verlockend. Die beiden kleinen Nachwuchskätzchen wurden, am Gras leicht zu erkennen, in der Regenzeit fotografiert. Während der Rest der Familie auf der Jagd war, strolchen sie in sicherer Entfernung herum. Eine Ansammlung von einigen Jeeps ist meistens ein gutes Anzeichen, dass etwas Kleines oder Niedliches zu sehen ist – selbst die eher unsympathischen Hyänen haben Nachwuchs, der eigentlich nur als adorable bezeichnet werden kann. Aber werfen wir einen Blick auf die restliche Familie, noch in der Regenzeit:


Fast forward, für ein paar Monate. Gleicher Teil des Parks, aber vermutlich ein anderer Löwe:



Die Großkatzen sind Grund genug für eine kleine Touristenansammlung. Als Besucher hat man dann meist die Tendenz, nicht dorthin zu schauen, wo die wirklich interessanten Dinge passieren. Manch Guide mag dann schon einmal, berechtigterweise, vermuten, dass Europäer generell halb blind sind. Das folgende Bild mag als Illustration dienen...



... ist aber etwas unfair, weil jene Msafiri ihre Augen konsequent dorthin gerichtet hält, wo diese Mietzekatze losgelaufen ist.



Auf den ersten Blick ein durchaus respektables Männchen, aber warum hat er den frisch (von den Weibchen) geschlagenen Büffel einfach so zurück gelassen? Ebenso der Rest des Rudels, der uns einige Minuten zuvor begegnet ist? Auf die Erklärung müssen wir nur wenige Sekunden warten, mit raumgreifenden, federnden Sprüngen raschelt er durch das Gras auf den noch warmen Kadaver zu: The King of the hill, das dominante Männchen betritt die Szene. Plötzlich ist auch die Körperhaltung des anderen Männchens klarer – als Mensch kommt man nicht umhin, in die angelegten Ohren und die restliche Körperhaltung eine leicht panisch-unterwürfige Einstellung hineininterpretieren zu wollen.
Beim Chef ist davon nichts zu bemerken. Simply breathtaking. Ich habe es schon einmal geschrieben, ich habe Löwen immer für kleiner gehalten. Um das an dieser Stelle noch einmal ins Verhältnis zu setzen, sollte man das letzte Bild in der Serie genau anschauen. Das ist ein ausgewachsener (!) Wasserbüffel (!!), der da am Boden liegt. Das erste Männchen, neben dem Jeep, ist dagegen mickrig.



endlich abwärts

Es hat natürlich seine guten Gründe, dass der crater Weltkulturerbe ist und selbst in der Trockenzeit tausende Touristen anlockt. Einige davon lassen sich vielleicht an Hand der nächsten Fotos erahnen, er es wirklich verstehen will: Karibu Tanzania!

Beim letzten Mal gab es noch einen distanzierten Blick auf den Krater im Verlauf der Jahreszeiten, diesmal geht es mitten hinein. Was auf den ersten Blick nach einer leichten Verfärbung ausschaut, hat bei genauerer Betrachtung radikale Auswirkungen. Ein Beispiel gefällig?





Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Bilder nicht vom gleichen Standpunkt aus gemacht wurden, das erste wurde vom Westufer des Sees geschossen, das zweite von, nunja, dem Punkt, wo einmal das Ostufer war. Und für die Zweifler, die mir meinen Vergleich mit dem Herbstnebel nicht abgenommen haben, sei hier noch ein Beispiel gezeigt.





Um es auf den Punkt zu bringen: wenn man Flamingos sehen will, ist der Sommer eine denkbar ungünstige Zeit. Anderen Tieren geht es dagegen offensichtlich gut – den sympathischen Kerlchen beispielsweise:



Von den ganzen Anspielungen auf die harte Trockenzeit geht es jetzt aber wirklich weiter zu den interessanten Tieren. Gnus, beispielsweise. Egal ob einzeln...




...in kleineren Gruppen...




..oder gleich als unüberschaubarer Auflauf:



Fotos gäbe es noch genug (im Sinne von "zuviele"), Elefanten, Strauße und andere haben sich bereitwilligst ablichten lassen, der Beitrag endet jetzt aber an dieser Stelle – mit einem rollfreudigen Hippo und einem Kleingruppenbild. Der See im Hintergrund trocknet übrigens nie aus, der Sumpf rundherum ist das letzte Refugium, wenn alle anderen Wasserstellen am Ende sind.





9.10.06

Intermezzo

Von Tarangire ging es, wie schon angekündigt, zum crater rim, zelten. Eckdaten der Simba Campsite: etwa 2500m über Seehöhe, direkte Sicht auf den Krater, liegt in der Conservation Area.



Soweit der Katalogtext. Übersetzt bedeuten die drei Punkte:

  • Es ist eiskalt. Abendessen und Frühstück mit Haube und warmer Jacke einnehmen, an den heißen Getränken wärmen und danach so schnell wie möglich in den Schlafsack. Basecamp / Achmed sei an dieser Stelle gedankt: das robuste Zelt hat in der Nacht sicher einiges an Wind und Feuchtigkeit abgehalten.

  • Kein Windschutz. Eine stete Brise empfing uns und brachte im Laufe der Zeit alles mögliche mit. Insbesondere erwähenswert: der Staub aus dem Krater sowie die nass-kalten Nebelwolken, die sich nachts auf uns herabsenkten.

  • In Ruaha konnten wir schon ein paar Erfahrungen mit Wildtieren rund um das Camp sammeln. Dass sich einige deutsche Camper am späten Nachmittag gegenseitig mit Tiermist bewarfen, war aus sicherer Distanz zwar immer noch etwas ungustiös, aber zumindest unterhaltsam. Von den Leuten hatte sich aber keiner die Frage gestellt, wie das Zeug neben ihr Zelt gekommen war – und welches Tier die beachtlich großen Häufchen hinterlassen hatte. Eine zierliche Gazelle war es sicher nicht.




Einen Teil des Rätsels konnten wir bald lösen. Kurz nach der Ankunft herrscht helle Aufregung beim kleinen Wasserturm: ein Elefant hatte sich aus dem Wald angeschlichen. Wasserdiebe! Selbst uns Touristen fällt es schwer, Tiere in Elefantengröße zu übersehen - der zweite, etwas verspätete Dickhäuter wird dann schon aus weiter Entfernung gesichtet. Generell ist sich niemand ganz sicher, wieviel Respektsabstand empfehlenswert wäre, die Meinungen gehen von "ich will ein Foto mit dem Elefanten und mir" (~7m) bis "ich renne lieber ins Zelt" (<150m).

Nach dem Essen hat sich draußen tintenschwarze Finsternis ausgebreitet. Auf dem Weg zum Zelt tauchen im Schein der Taschenlampe überraschend viele schwarz-weiße Streifen auf: eine Zebraherde zieht durch das Lager. Meine Kamera besitzt praktischerweise ein relativ starkes Hilfslicht, um auch nachts scharfe Bilder machen zu können. Als meine Begleiterin sich also dekorativ vor eines der Zebras stellt, leuchtet besagtes Licht auf – und plötzlich glaube ich von rechts hinter dem Zebra zwei gelbe Punkte in meine Richtung aufleuchten zu sehen.
Eine kurze Denkpause meinerseits (Kopfhöhe, Form, Schatten des Schädels) wird – klassisch dämlich – von einem zweiten Versuch mit der Lampe gefolgt. Tatsächlich, zwei gelbe Augen. Und sie schauen immer noch exakt in meine Richtung. Eigentlich starren sie. Hm.

Auch wenn der Guide vorhin noch gesagt hat, dass die Tiere alle harmlos und an Menschen gewöhnt sind – ein ausgewachsener Wasserbüffel, der mich eine halbe Minute lang anstarrt, ist mir nicht geheuer. Ein Tier, dass man dank dunklem Fell nach Sonnenuntergang nicht sehen kann und das als notorisch unberechenbar gilt? Grund genug, zügig im Zelt zu verschwinden. Mit Sonnenaufgang soll es schon wieder weiter gehen, in den crater.



Wenn Worte nicht reichen...

...braucht es Bilder. Nach dem unter Umständen eher trübselig (oder eher staubtrocken *hust*) wirkenden, letzten Eintrag geht die heutige Schreib-Aufwärmübung in eine andere Richtung. Ich tendiere etwas dazu, Tarangire zu vergessen – was kein Werturteil sein soll. Der Park ist beeindruckend, vor allem in der Trockenzeit, wenn sich die großen Brüder von Fuchs und Hase am Fluss treffen. Um das Posting stilgerecht einzuweihen, ich präsentiere: Tarangire National Park und seine Bewohner:



Auf den ersten Blick nicht sehr beeindruckend, allerdings versteckt sich hinter dem Vorschaubild ein rund zehn Megapixel großes Panorama (verkleinert, das Original hat rund zwanzig). Und das mit gutem Grund: wenn man etwas in das Bild hineinzoomt, findet man allerhand. So sind die grauen Tupfen rechts unten keine Spitzmäuse und die ganzen anderen Pünktchen kein Fliegendreck auf der Linse. Viel Spass beim Zählen der Elefanten, Zebras und Gnus. Irgendwo müssten auch noch Hyänen und anderes Getier sein. Der Aussichtspunkt kann jedem ans Herz gelegt werden – zumindest zur Trockenzeit.
Während der Mittagsrast an eben dieser Stelle hatten wir noch einige zusätzliche Besucher, zum Glück alle klein und handlich:





Und um Tarangire vorläufig abzuschließen, noch zwei Bilder mit Streifen. Zuerst ein klassischer "Das wird alles dir gehören"-Schnappschuss, dann ein Suchbild: wieviele Zebras?





Eine kleine Safari-Weisheit noch: wenn man den Elefanten riechen kann, ist man zu nahe dran. Umgekehrt gilt vermutlich das gleiche: der steinalte, stinkende, aber fast zum Greifen nahe Bulle war definitiv nicht glücklich darüber, dass unser Fahrer erst so spät angehalten hat. Klassischer Fall von jetzt "nicht bewegen und kein Wort".

8.10.06

Kleine Farbenlehre: gelb-grün

Ein letztes Mal bitte ich um Geduld, zum auf absehbare Zeit letzten Mal führen meine kleinen Schreibarbeiten in die klassischen Nationalparks, etwas später folgen noch mehr Fotos.

Jetzt gibt es erst einmal eine Rückkehr ins Unbekannte: vor Monaten war ich schon einmal im Ngorongoro National Park, damals noch in der Regenzeit, diesmal mitten in der trockenen Saison.
Bei den Recherchen ist mir gerade aufgefallen,dass ich damals zwar vollmundig einige Beiträge zum Northern Circuit versprochen habe, es in der ganzen USA-Hektik dann aber unterlassen habe, etwas Derartiges zu produzieren. Einzig das kleine Safari-Swahili kam zu Stande (und lockt immer wieder Googlegäste an). Macht nichts, auch darauf lässt sich aufbauen.

Beim zweiten Mal war die Fahrt von Arusha zur NCA, Ngorongoro Conservation Area, schon ein vertrauter Weg. Die große Kreuzung, die luxuriöse Straße, die so überhaupt nicht nach Tanzania passt, der schnurgerade, aber sanft geschwungene Verlauf über die kleinen Hügel. Der erste Anstieg auf das Plateau, mit Blick zurück auf Lake Manyara, die vertraut grüne Hochebene. Einchecken am Gate, der zweite Anstieg, bei deutlich schlechteren Straßenverhältnissen. Im Mai war vor lauter Nebel und Regen nichts zu sehen, diesmal sind es die Staubwolken, die einem die Sicht nehmen. Spätnachmittag, Ankunft am Crater Rim, weiter zur Simba Campsite. Nach all den kleinen Déjà-vus folgt nach dem Aussteigen ein erstes, verwirrtes Blinzeln: war der Talkessel beim letzten Mal nicht deutlich grüner? Beruhigendes Detail: zumindest die helle Fläche des Sees glänzt in der abendlichen Sonne.

Die nächtlichen Tiergeschichten werde ich im nächsten Eintrag behandeln, ebenso die klimatischen Widrigkeiten. Für den Moment springen wir zum nächsten Morgen: Bei Sonnenaufgang stehen wir schon in der kurzem Schlange beim Start der Descent Route, bewundern in alle Stille das Spiel der Jakobsleitern über der gelben Ebene. Tatsächlich, gelb. Kein Hauch von Grün, nur Gelb. Als die ersten Maasai angelaufen kommen, machen wir uns auf den Weg nach unten, wieder nur von Staubwolken begleitet – keine Sturzbäche diesmal.


In den nächsten sechs Stunden bin ich immer wieder fassungslos – wo beim letzten Mal löwenfarbige Löwen durch sattgrüne Wiesen schlichen, rascheln diesmal noch immer löwenfarbige Löwen durch jetzt goldgelbes Stroh. Wo kürzlich rosa Flamingos über einer glitzernden Wasserfläche geschwebt sind, ziehen jetzt Windhosen über eine ausgetrocknete Senke, während sich nur wenige Tiere langsam an das Wasser heranpirschen. Flamingos? Kann man an einer Hand abzählen. Was von oben noch wie spiegelndes Wasser gewirkt hat, ist in Wahrheit verkrustetes Salz – trostlos.


Die übliche Runde durch den Krater ermöglicht es einem, weite Teile der Tour abseits der staubigen Bereiche zu verbringen, dort, wo die großen Gnu- und Zebraherden ihre Kreise ziehen, von Löwen und Hyänen umringt. Irgendwann geht es dann aber doch in den speziellen Bereich rund um den, nunja, See. Kleine Staubtümpel explodieren geradezu, wenn der Jeep durchfährt, bei Rückenwind erreicht das feine Pulver innerhalb von Sekunden das Fahrzeug – sowohl außen, als auch innen. Mit der Zeit lagert sich überall eine dünne Schicht ab, nur mit Mühe bleibt die Kamera halbwegs sauber. Alles andere – Hände, Gesicht, Taschen, Kleidung – kann man vorläufig nur ignorieren, bei jeder Bewegung löst sich ein kleines Wölkchen. Im Kern der Staubwolke fühlt man sich wie in dichtem Herbstnebel: die Sicht ist minimal, die Tiere werden in geisterhafte Schemen verwandelt.

Ich bemitleide die europäischen Sommertouristen etwas, die den Krater nur in dieser Form erleben. Keine Frage, selbst jetzt quillt hier alles vor Tieren geradezu über - aber diese frische, lebendige Natur aus der Regenzeit ist verschwunden. Es wirkt jetzt, nunja, afrikanischer. Oder anders gesagt: es wirkt so, wie man es als Europäer erwarten würde. Trocken, staubig: grausame Natur.





6.10.06

Anschauungsunterricht

Fassunglos fällt der Blick auf einen lehmigen Einschnitt im Hang, aus dem schmutzig braunes Wasser ins Tal blutet. Auf kruden Holzgerüsten stehen Gestalten, bewegen sich eckig. Wie Holzfiguren, Kinderspielzeug, Scherenschnitte. Übermannslange Baumsägen, von zwei Menschen in Bewegung gehalten: einer in der Grube unter dem Baumstamm, der andere darüber. Glänzende Rinnen lassen den Weg des Holzes erahnen, krebsartig ziehen sich die lehmigen Forstwege in den umliegenden Wald. Mahnend stehen die letzten Baumriesen, gealterte Zeugen eines ersten, jahrhundertalten Exodus' über kahlgeschlagenen Hängen und buschgroßem Nachwuchs, schnellwachsende Nadelhölzer an Stelle kolonial-deutscher Eukalyptusplantagen, an Stelle endemischer Regenwaldhölzer.

Die Distanz schluckt den Lärm, versteckt Details und zeigt im Panorama doch nur einen Bruchteil des Geschehens, der Geschichte. Man muss noch nicht einmal näher kommen, um die kleineren Hinweise zu sehen, in Wahrheit ist seit Stunden absehbar, worauf man zugeht. Die eigentlich schmale Forststraße, auf der man steht? Eine von vielen. Die ausgespülten Gräben und abrutschenden Böschungen entlang des Weges, die vertrocknenden Ästen mit Schnittflächen an den Enden, gesplittertes Holz? Kilometerweit der gleiche Zustand. Quadratkilometer voller Monokulturen, plötzlich fehlende Fauna? Keine Überraschung.
Es ist seltsam, wie plötzlich und nachdrücklich einem manchmal bestimmte Probleme vor Augen geführt werden. Ist Raubbau ein zu hartes Wort? Womöglich.


Dass man plötzlich viel Zeit hat, wenn man lange Strecken zu Fuß zurücklegt, ist keine neue Erkenntnis. Welchen Unterschied das machen kann, vergisst man aber immer wieder. An den Anblick intensiv bewirtschafteter Landschaften habe ich mich hier in Tansania allmählich gewöhnt, an Hühner, die unter Bananenbäumen scharren, an Ziegen- und Kuhherden, die plötzlich das Fahrrad oder den Jeep auf der Straße umringen. Das braune Wasser des Kilomberos, die erodierenden Ufer: eine stets mahnende Erinnerung an die allgegenwärtige Bodenerosion, den Verlust der fruchtbaren Erde.
Aber nirgends war es so deutlich wie in den kleinen Dörfern an den Hängen in den Usambara Mountains. Abhänge, an denen ich nur mühsam hochklettern könnte: genutzt für Maisfelder. Ausgerechnet Mais. Eine Pflanze, deren Wurzeln den Boden so schlecht fixiert, dass sogar österreichische Felder in leichter Hanglange beim ersten schweren Regenguss fast ins Tal gespült werden. Man schaue sich nur im Herbst ein Maisfeld an – wie weit stehen die Wurzeln aus der Erde, wieviel höher muss der Boden noch vor wenigen Monaten gewesen sein? Hier, mit tropischen Regen? Himmel hilf... An manchen Stellen ist der Einfluss niederländischer Entwicklungshelfer erkennbar: mit Gräsern und andern Pflanzen befestigte Plateaus, quer zum Hang laufende Befestigungen, gezielt gepflanzte Hecken. Alles viel zu selten.

An anderer Stelle reichen wenige Schritte, um im alten, grünen Meer zu verschwinden. Mit dem Erreichen der Forest Conservation Zone ändert sich alles. Baumriesen, dichtes Unterholz, teilweise könnte man den Arm seitlich ausstrecken und die Hand im Dickicht nicht mehr erkennen. Was über und neben einem raschelt, ist meist nicht zu ergründen: Affen, Nagetiere? Plötzliche Stille, die laute Stille der Natur, Konzentration auf die Äste und Ranken vor einem: Frieden. Selbst die alten Eukalyptusplantagen versprühen noch einen Hauch Urtümlichkeit, der beim Auftauchen der Baumfarne schnell erstirbt: kein Hauch, hier weht eine steife Briese, die eine kurze Gänsehaut aufkommen lässt.

Nach wenigen Stunden geht der Aufenthalt in diesem Refugium bereits zu Ende, weicht das dichte Unterholz abrupt nadelgepolsterter Leere: Weichholz-Plantagen. Mit der Erinnerung an gerade Erblicktes hat sich eine Ahnung eingenistet, wie es hier einmal ausgesehen haben könnte, nur schwer lässt sich das mit der aktuellen Situation in Übereinstimmung bringen.
Die kognitive Dissonanz schwingt noch lange nach, aber die wirklich harschen Misstöne lassen noch auf sich warten. Noch ist das eingangs erwähnte Sägewerk nicht im Blickfeld aufgetaucht, noch waren die Strassen überschaubar breit, Trampelpfade zwischen Feldern, einspurige Forststraßen, wie man bei uns sagen würde. Noch haben wir keine überbreiten Trassen für schwere Lkws betreten, noch nicht. Als genau das passiert, ist klar, was in Kürze zu erwarten ist. Überraschung? Nein. Laut unserem Guide sind es sogar Einheimische, die dem Staat das Land abgekauft (gepachtet?) haben – keine ausländischen Investoren. Ein kurzer schweifender Blick über die eintönig grünen, gleichmäßig hoch bewachsenen Hügel rundherum lässt Zweifel aufkommen, seien sie berechtigt oder nicht. Der Weg führt weiter, immer weiter durch die immer gleiche Landschaft – rotbraune Stämme, hellgrün schillernde Nadeln. In ihrer scheinbar endlosen Abfolge aben sie etwas Hypnotisches. Die gleichmäßige Verschiebung der Stämme gegeneinander beim Vorbeigehen – wer auch immer hier gepflanzt hat, hielt sich exakt an ein geometrisches Muster. Alle drei Meter ein Baum? Bergauf, bergab – überall die gleichen Pflanzen.


Metablogging

Abstrahiertes Reflektieren: Konstrukte darüber, wie es einem während einer Reise gegangen ist, womöglich ohne deskriptive Texte oder illustrierende Bilder. Loses Verknüpfen von Gedanken, eventuell auch Vernetzungen mit Ideen herstellen, die nur über einige Ecken mit der Reise zu tun haben. Eine Meta-Ebene.

Katalogtexten: Bildlastiges Schwärmen, folgt der "mein Haus, mein Auto, mein Pool" Idee. Je nach Zielgruppe kann auch von miserablem Essen und lebensgefährlichen Ausflügen geschwärmt werden.

In die Krämerseele blicken: wenn Kostenaufstellungen plötzlich den restlichen Inhalt erdrücken. Erzählungen über das eigene Verhandlungsgeschick, über die günstigsten Cocktails und die vielversprechensten Spartipps lassen vermuten, dass man die Reiseziele eigentlich nur auf einer Liste abhaken wollte, sei sie imaginär oder auch ganz real. Reisen, koste es was wolle – so lange die Kosten nicht finanzieller Natur sind. Bei vernachlässigbarer In/Deflationsrate für Folgegenerationen interessant.

Hallo liebes Tagebuch: für Papierallergiker neuerdings in elektronischen Form.

Wandeln in der Textwüste: traditionelle Berichterstattung, überlagert die bisherigen Varianten. Nur sprachliche Bilder, je nach Talent und Engagment sehr interessant bis ermüdend.

Versinken im Bilderrausch: die Diashow ohne Vortragenden, ähnlich wie die Textwüste abhängig von der Qualität und, mehr noch, der Quantität der Bilder.


Was mache ich? Schwanken. Die detaillierteste Schilderung war wohl jene von der Suche nach dem Päckchen, die tendentiell textlastigeste jene vom Ruaha National Park. Meist versuche ich einfach nur, den Fotos einen inhaltlichen Rahmen zu geben: warum hat genau hier der Verschluss geklickt? Speziell, wenn sonst auch noch viel zu erledigen ist – das Nachbearbeiten der Bilder ist zeitaufwändig, das Texten auch nur akzeptabler Fragmente noch viel mehr. Und nicht immer kann ich mir die Zeit nehmen – insofern: manchmal ist ein "zuviel" an Information in einem Text einfach der Trägheit geschuldet, sich nicht über die Banalitäten erheben zu wollen. Und einmal ganz ehrlich: die Neugierde wird trotzdem gestillt, oder?
Wenn ich glaube, dass sich eine Zeit etwas Besseres verdient hat, als ich im Moment zu produzieren im Stande bin, lasse ich es manchmal auch einfach bleiben – bis wieder Zeit gekommen ist.

4.10.06

Auf der Suche nach dem Veilchen

Speziell im Norden Tansanias gibt es einige Gebiete, die von deutschen Kolonialambitionen besonders geprägt wurden. Das allein mag kein Grund sein, dorthin zu reisen - aber auch keiner, der dagegen sprechen würde, die dortigen Berge einmal zu besuchen.
Nach einem kurzen Pflichtabstecher nach Dar, einerseits, um meinem Chef nach langen Monaten nochmals zu treffen, andererseits auf Grund der afrikanischen Variante von "alle Wege führen nach Rom", stolperten wir schließlich in einer der unzähligen kleinen Siedlungen aus dem Bus: Mombo.
Während andere Touristen, die vermutlich vom Reiseveranstalter direkt zum Busterminal gebracht und auf kürzestem und günstigstem Weg in Richtung Northern (Safari) Circuit unterwegs sind, uns etwas entgeistert anstarren (hier aussteigen?) und dabei auf den Fensterscheiben Nasenabdrücke hinterlassen, diskutieren wir bereits mit den ersten locals über Daladala-Verbindungen in die Usambara Mountains - und, wie könnte es anders sein, über den Preis von Zambusi.
Etwas später werden wir von einem Kleinbus abgeholt, treffen auf einen UN-Mitarbeiter aus Rwanda, etwa zwanzig weitere Mitfahrer und werden schließlich zügig bergwärts transportiert. Bei den Zwischenstopps füllen auf gewohnte Art und Weise immer mehr Leute das Auto, es passen schließlich immer noch zwei mehr hinein - eine alte afrikanische Weisheit. Eigentlich unnötigerweise versuchen wir, unsere Ruck- und Seesäcke im Auge zu behalten, bei fast jedem Stopp wandern sie in oder aus dem Kofferraum, zur Abwechslung auch auf das Dach. Oder in die außen/hinten hängenden Körbe. Wo auch immer unser Gepäck zwischendurch ist, am Ende kommt es wohlbehalten an.
In Lushoto werden wir auch, wie erwartet, sofort von hilfsbereiten Menschen umringt: zu diesem Hotel, zu jenem Hotel - oder doch zur Tourist Information? Dem Vorschlag im Reiseführer entsprechend entschließen wir uns für letzteres, nutzen den späten Nachmittag noch aus und stehen rätselnd vor dem Tourangebot.





An dieser Stelle sei der Friends of Usambara Mountains Society, welche die Tourist Information betreut, eine ausdrückliche Empfehlung ausgesprochen. Freundliche Leute, hilfsbereit und flexibel: so macht cultural tourism Spass.

Die Entscheidung fällt schließlich auf eine zweitägige Tour in Richtung Norden. Zuerst durch die forest reservation area, Übernachtung in einem convent, dann weiter nach Mtae, zum world view point, nochmals übernachten. Genug Zeit vorausgesetzt, könnte man den ganzen Weg in fünf Tagen zurücklegen, unsere Variante beinhaltet zwei zeitsparende Busfahrten - eigentlich frevelhaft, im Urlaub. Praktischerweise fährt der Bus nach Arusha, den wir ohnehin erwischen müssen, in Mtae ab - unser unhandliches Großgepäck können wir einfach in Lushoto zurücklassen und frühmorgends bei einem Zwischenstopp in den Bus verladen. Wie gewagt dieses organisatorische Glanzstück wirklich war, sollte sich noch zeigen.

Den Irente Viewpoint sowie den jive la mungu müssen wir leider auslassen, am nächsten Morgen wandern wir mit frischer Verpflegung vom Markt rasch in Richtung Magamba Forest, vorbei an eindeutig in mitteleuropäischem Stil erbauten Häusern. Zwei Tage lang wechseln sich landwirtschaftliche Nutzflächen, Dörfer, Baumplantagen, Pfade und Strassen ab, wechseln von einem Tal über grüne Hügelkuppen ins nächste. Die Temperaturen sind selbst nach europäischen Verhältnissen sehr angenehm, die fast 2000 Meter Höhenunterschied gegenüber Ifakara machen sich mehr als deutlich bemerkbar.



Das convent entpuppt sich als kleine Oase, umringt von Blumen-, Obst- und Gemüsegärten, die zahlreichen Stick- und Häkelarbeiten sowie die Einrichtung lassen zumindest mich sofort an Deutschland denken. Die afrikanischen Variante einer Allgäuer Bergidylle (man nehme die Gebäude (stilecht gemauerte Ställe) Tiere (Kühe) & Pflanzen (z.B. Apfelbäume & Kohlfelder) und ersetze die Bewohner durch Afrikaner), die wir etwas früher durchwandert haben, passt auch bestens ins allgemeine Bild. Einzig die sich der Schwerkraft widersetzenden "Tannen"bäume sorgen für anhaltende Verwirrung, siehe Foto. Nach einer anderen Pflanze habe ich den ganzen Tag lang erfolglos Ausschau gehalten, in einem Garten findet sie sich schließlich:

Ich präsentiere: ein Usambara Veilchen, fotografiert in den Usambara Mountains.



Der zweite Wandertag führt uns bei deutlich schlechterem Wetter (und bei schlechterer Gesundheit, soweit es meine Begleitung betrifft) weiter Richtung Mtae. Bergauf, bergab - diesmal durch eine völlig andere Kulturlandschaft: fast nur Monokulturen für die Holzproduktion. Ein kurzer Zwischenstop bei einer womens group, die uns ihre Töpferkünste vorführen und danach die teilweise sehr unterhaltsame Endprodukte zu humanen Preisen anbieten.



Als wir Mtae erreichen, breitet sich Erleichterung aus. Die tiefhängenden Wolken verhindern zwar äußerst hartnäckig die Sicht auf die Ebene einen Kilometer unter uns, die heiße Dusche (Afrika-style, großer Bottich über dem Holzfeuer für Warmwasser) muntert uns aber wieder auf. Während meine Begleitung ihrem Schnupfen und der allgemein angeschlagenen Gesundheit im Bett Gesellschaft leistet, mache ich bei einbrechenderDunkelheit den Ort noch etwas unsicher, verliere mich im Nebel und der allgemeinen worlds end oder auch world ends-Stimmung. Wolkenfetzen, schallschluckender Nebel, Nieselregen, leichter Wind - und ein Abhang, der sich im Nichts verliert. Kaum zu glauben, wie weit es hier abwärts geht.



Unser Bus verlässt Mtae schon zu unchristlichen Zeiten, pünktlich um drei Uhr fängt der Fahrer an zu hupen. Meine Sitznachbarin ist innerhalb von Minuten nicht mehr ansprechbar und verpasst in Folge einige spannende Momente auf afrikanischen Bergstraßen. Vermutlich kein Verlust - auf das Gefühl, das sich einstellt, wenn ein großer Reisebus beim Erklimmen einer Steigung immer langsamer wird, zum Stillstand kommt und dann immer schneller rückwärts bergab rollt (in nachtschwarzer Finsternis), kann man gerne verzichten.
Das Verladen unseres Gepäcks gestaltet sich eher hektisch - zwar ist alles sicher verwahrt worden, allerdings ist das Gitter, hinter dem die Seesäcke lagern, auch für mich und den Guide, Ally, ein unüberwindbares Hindernis. Insbesondere so lange der Schlüssel beim Kollegen ist - und dieser morgens um halb acht noch schläft.
Schlussendlich sind das alles lösbare Probleme, eine Viertelstunde später geht es weiter bergab, in Richtung Arusha.